Unzaehmbares Verlangen
nicht«, flüsterte sie. »Das schlimmste ist, daß ich mir nicht sicher bin, ob meine Angst berechtigt ist. Allerdings habe ich Daddy schon erlebt, wenn er zornig wurde. Er verliert leicht die Kontrolle über sich. In letzter Zeit hatte ich den Eindruck, daß er manchmal kurz davorsteht, durchzudrehen.«
Letty runzelte die Stirn. »Kommt das oft vor?«
»Nein, glücklicherweise nicht. Ich glaube, daß er meine Mutter öfters mal geschlagen hat, aber sie wollte es nie zugeben. Sie erzählte, sie wäre gestürzt, und ich war nur allzu bereit, ihr zu glauben. Erst später begriff ich, daß Dad sie verprügelt hatte. Trotzdem stritt Mom das bis zu ihrem Tod ab. Wahrscheinlich wollte sie mich vor der Wahrheit schützen.«
»Ist er nach dem Tod Ihrer Mutter noch öfter gewalttätig geworden?«
»Als er mich vor fünfzehn Jahren mit Joel in der Scheune erwischte, war es besonders schlimm.« Diana atmete heftig. »Ich glaubte, er würde ihn umbringen. Daddy schwang einen schweren Holzprügel in der Hand und versuchte, Joel damit auf den Kopf zu schlagen. Hätte Joel nicht so schnell reagiert, wäre er von Dad getötet worden. Da bin ich mir ganz sicher.«
Letty lief ein Schauer über den Rücken, als sie sich die Szene vorstellte. »Gab es noch andere Vorkommnisse?«
»Ich glaube, er schlug vor einigen Jahren einem seiner Angestellten während einer Auseinandersetzung mit der Faust ins Gesicht. Die Sache wurde jedoch schnell ver-tuscht, und der Arbeiter verließ kurz darauf die Firma. Ich befürchte allerdings, das war nicht der einzige Vorfall dieser Art.«
»Diana...«
Diana rieb sich die Schläfen. »Bitte verstehen Sie, daß es nicht die vergangenen Ereignisse sind, die mich so ängstigen. Es geht darum, was noch passieren könnte. Ich spüre, daß Daddy immer zügelloser wird.«
»Glauben Sie, er würde Joel etwas antun, wenn er von den Veränderungen bei Copeland Marine erfährt?«
Diana stand auf. »Ich mache mir Sorgen um Keith«, sagte sie gequält. »Verstehen Sie denn nicht? Daddy erzählt mir seit drei Jahren, daß er wünschte, er hätte mich nie dazu ermutigt, Keith zu heiraten. Er behandelt ihn wie Dreck oder verspottet ihn. Ich fürchte mich davor, was er tun wird, wenn er herausfindet, daß Keith in seiner Firma die Befehle geben soll.«
»Ich verstehe«, sagte Letty leise.
»Wenn Joel in Daddys Büro marschieren und ihm erklären würde, daß er ab sofort das Unternehmen leitete, wäre das etwas anderes.« Diana ging zum Toilettentisch hinüber, nahm gedankenverloren eine Bürste in die Hand und legte sie wieder hin. »Joel ist stark. Er könnte mit Daddy fertig werden. Aber Keith ist...«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie glauben, Keith könne sich Ihrem Vater gegenüber nicht behaupten?«
Diana sah sie niedergeschlagen an. »Er hat es in den letzten drei Jahren nicht fertiggebracht. Warum sollte es also jetzt klappen?«
»Warum fragen Sie ihn nicht, weshalb er so versessen darauf ist, Copeland Marine zu übernehmen und zu sanieren?« schlug Letty vor.
»Das weiß ich bereits.« Diana zog ein Papiertaschentuch hervor und tupfte sich vorsichtig die Augen ab. »Das gehört zum Vertrag. Keith heiratete mich, weil Dad ihm die Firma in Aussicht stellte.«
»Und warum haben Sie in die Ehe eingewilligt?«
»Weil Daddy ihn für mich ausgesucht hat. Ich dachte,
Keith wäre der einzige Mann, den ich unbesorgt heiraten könne.«
Letty atmete tief ein. »Sie hatten also Angst, einen anderen Mann zu heiraten, weil Ihr Vater dann vielleicht wütend geworden wäre?«
»Ja. Nur habe ich mich dann trotz allem in Keith verliebt.«
Letty dachte kurz nach. »Ich glaube kaum, daß Keith sich jahrelang von Ihrem Vater wie Dreck hätte behandeln lassen, nur um eines Tages an das Unternehmen heranzukommen. Keith ist sehr klug - das sieht man an dem Fünf-Jahres-Plan, den er entworfen hat. Hätte er keinen anderen Grund gehabt, wäre er sicher schon längst auf und davon.«
Diana sah sie verblüfft an. »Was meinen Sie damit?«
»Nun, ihn hat bestimmt nicht die Aussicht auf die Leitung von Copeland Marine gehalten. Warum sollte er sich das antun?« Letty lächelte. »Haben Sie sich schon einmal überlegt, daß Keith Sie geheiratet und die letzten Jahre die Behandlung Ihres Vaters ertragen haben könnte, weil er Sie liebt?«
Diana zerknüllte das Taschentuch in der Hand. »So einfach ist das nicht. Immerhin bin ich Victor Copelands Tochter. Ich glaubte, als Keiths Frau endlich in Sicherheit zu sein, aber
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