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Unzertrennlich

Unzertrennlich

Titel: Unzertrennlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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dich küssen, du Starkolumnistin.« Er hatte die Geschichte über Mütter anscheinend so oft gelesen, dass er sie fast auswendig konnte. »Ich habe mich wirklich amüsiert. Und mir sind gleich Geschichten von meiner Mutter eingefallen. Als meine Schwester für drei Wochen beruflich nach London musste, hat meine Mutter bei ihr eingehütet. Meine Schwester hat zwei Katzen, deshalb muss immer jemand da sein. Weißt du, sie wohnt in einer Penthouse-Wohnung in Köln, Dachterrasse, riesige Fensterfronten, schwarz-weiß eingerichtet, sehr minimalistisch. Als Beate zurückkam, hatte meine Mutter ihr Übergardinen genäht und aufgehängt und vor jedes Fenster Topfpflanzen gestellt. Meine Schwester ist fast durchgedreht.« Richard lachte leise und schob seine Hand unter Christines Arm. »Ich bin jetzt ›Femme‹-Leser. Das hätte ich vor fünf Jahren niemandem geglaubt.«
    Sie waren am Wenningstedter Kliff angekommen, die Abendsonne tauchte den Strand in das für Sylt so typische Licht. Als Richard und Christine die Treppe zur Sonnenterrasse hochstiegen, wurde gerade ein Tisch ganz vorne frei. Christine beschleunigte ihr Tempo.
    »Los, der Tisch steht in der Sonne, den will ich haben.«
    Sie erreichte den Platz kurz vor einem älteren Ehepaar, das auch auf diesen Tisch zugesteuert war, und setzte sich schnell hin. Die ältere Frau warf Christine einen giftigen Blick zu und schob ihren Mann in die andere Richtung.
    »Komm, Werner, ich mache doch hier keinen Wettlauf.«
    Christine sah betont gleichgültig aufs Meer und dann auf Richard, der sich lächelnd setzte.
    »Du hast die Frau ja richtig abgedrängt, das war fast gefoult.«
    Christine hob die Schultern und machte ein unschuldiges Gesicht.
    »Alte Handballregel, man muss nur den Weg des Gegners zum Tor abschneiden. Das war übrigens ohne Körperkontakt, dafür hätte ich noch nicht mal eine gelbe Karte gekriegt. Ich weiß gar nicht, was du hast.«
    Richard strich ihr über die Wange. »Manchmal bist du mir unheimlich. Aber dieser Tisch ist wunderbar.« Er griff zur Getränkekarte. »Und? Champagner?«
    »Sicher. Jetzt machen wir es perfekt.«
    Nachdem die Bedienung die beiden Gläser gebracht hatte, saßen sie eine Zeit lang in diesem zufriedenen Schweigen nebeneinander und genossen die Nähe des anderen.
    Richards Augen folgten zwei Gestalten, die weit weg nebeneinander im Gleichschritt am Strand entlangliefen. Die letzten Sonnenstrahlen ließen die blonden Haare leuchten. Er sah Christine von der Seite an. Ihr Blick war auch auf die beiden Strandläufer gerichtet.
    »Ein Liebespaar?« Er hatte leise gesprochen, um die Stimmung nicht zu stören.
    Christine schüttelte den Kopf. »Zwei Mädchen, ganz jung noch, vielleicht Freundinnen.«
    Richard kniff die Augen zusammen. Jetzt waren sie stehen geblieben, standen sich gegenüber, sahen sich an. Christine hatte recht, es waren zwei Mädchen, vielleicht vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Die etwas Größere redete auf die Kleinere ein und streckte ihr die Hand hin, die die andere ergriff. Sie vergrößerten den Abstand zwischen sich, hielten sich aber weiterhin fest. Dann begannen die Mädchen, eigenartige Bewegungen zu machen, Richard versuchte zu erkennen, ob sie rangelten.
    »Was wird das denn jetzt? Streiten die?« Er sah Christine fragend an.
    Ihr Blick war weiterhin auf die beiden gerichtet. Sie lächelte.
    »Nein«, sagte sie leise, »die streiten nicht, die üben Jive.«
    Richard war verwirrt. »Wie, Jive?«
    Die beiden Mädchen hatten jetzt denselben Rhythmus. Sie waren die einzigen Menschen an diesem Strand. Und hörten Musik, die außer ihnen niemand hörte.
    Christine beugte sich vor und küsste Richard auf die Wange.
    »Oder Cha-Cha-Cha. Die Schrittfolge kann ich von hier aus nicht erkennen. Hast du etwa nie vor deiner Tanzstunde geübt?«
    Richard lachte. »Geübt? Dazu bin ich doch in die Tanzstunde gegangen. Ich hätte mich doch niemals mit einem Mädchen zum Üben getroffen. Das wäre uncool gewesen.« Er sah wieder zu den beiden Mädchen. »Und wenn ich meinen besten Freund Christof gefragt hätte, ob er mir mal die Dame macht, hätte der mich vermutlich vermöbelt und für geisteskrank erklärt. Oder für schwul. Das wäre für unsere Männerfreundschaft das Ende gewesen.«
    »Gibt es diese Männerfreundschaft noch?«
    Richard nickte. »Christof lebt in München, deshalb sehen wir uns nur selten. Aber befreundet sind wir immer noch. Meine Güte, das ist fast 35Jahre her.«
    »Wann hast du ihn das letzte

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