Unzertrennlich
Mal gesehen?«
Richard dachte nach. »Wann war das? Warte mal, als er geheiratet hat, vor sieben, nein, acht Jahren.«
Christine lachte. »Das ist ja eine ganz dicke Freundschaft. Wie Pech und Schwefel klebt ihr zusammen.«
»Wieso? Man muss sich doch nicht dauernd sehen. Wir telefonieren manchmal und schreiben uns. Das ist bei Männerfreundschaften anders als bei euch Frauen.«
»Woher willst du wissen, wie das bei uns Frauen ist?«
Richard deutete auf die beiden Mädchen, die sich inzwischen nebeneinander in den Sand gelegt hatten.
»Sieh dir die beiden doch an, das ist ganz typisch. Ich kenne das von meiner Schwester und aus meinem Bekanntenkreis. Mädchen gehen morgens gemeinsam zur Schule, sitzen sechs Stunden nebeneinander in der Klasse, stehen in jeder Pause zusammen, gehen gemeinsam nach Hause, essen getrennt Mittag und telefonieren danach eine halbe Stunde lang, um sich für eine Stunde später wieder zu verabreden. Das gibt es bei Jungen nicht.«
»Mädchen sind auch nicht alle so. Das ist ein Klischee.«
Richard nahm Christines Hand und küsste sie. »Ich glaube, die meisten sind so. Das liegt an den Genen, ihr wollt immer in Kontakt bleiben. Frauen gehen zu zweit aufs Klo. Sie tauschen Klamotten aus, gehen zusammen shoppen, erzählen sich gegenseitig ihre Liebesgeschichten, all diese Dinge eben. Manchmal finde ich das beneidenswert. Wie ist das denn bei dir gewesen?«
»Ich gehe allein aufs Klo.«
Richard lachte. »Du bist eben anders als die anderen Mädchen.«
Er legte seine Hand auf ihr Knie, sie legte ihre Hand auf seine, worauf Richard seine Hand drehte und ihre Finger sich verschränkten.
»Ich war bestimmt auch so ähnlich, irgendwann wenigstens. Weißt du, als kleines Mädchen hast du vor der Welt erst mal Angst. Na ja, ich hatte sie zumindest. Und auf einmal läuft ein anderes kleines Mädchen neben dir und plötzlich wird alles einfach. Ich habe Freundinnen gebraucht, um es mit dem Leben aufzunehmen.«
Richard drückte zärtlich ihre Finger. »Das geht kleinen Jungen ähnlich. Man sucht sich Leidensgenossen, Feiglinge wie man selbst, gemeinsam wird man stark.«
»Das sind aber nur die ersten Freundschaften«, fuhr Christine fort. »Danach verändert sich alles wieder. Mit zwölf, dreizehn fand ich plötzlich Mädchen toll, die ganz anders waren als ich. Ich glaube, man sucht sich seinen Gegensatz, damit man weiß, wie man mal werden will. Das geht aber nur eine Zeit lang gut, weil sich irgendwann doch die Unterschiede zeigen.«
Richard sah Christine aufmerksam an. »Das ist doch bei Männern auch so.«
»Ja, am Anfang bestimmt, aber Männer gehen anders mit ihren Freundschaften um. Es geht um diesen Freund, um seinen Charakter, seinen Humor, seine Spontaneität, was weiß ich. Bei Frauen ist das gemeinsame Umfeld viel wichtiger. Hat man eine Freundin, die man als Single kennen gelernt hat, gibt es meistens Probleme, wenn sie plötzlich liiert ist und weniger Zeit hat. Sind zwei Frauen miteinander befreundet, die beide keine Kinder haben, und wird eine dann Mutter, ist es ebenfalls schwierig. Kann man den Partner der anderen nicht leiden, auch ein Problem. Weißt du, Frauen sind viel mehr von äußeren Dingen abhängig als Männer. Es muss alles so bleiben wie es war, sonst geht es nicht mehr.«
Richards Gesichtsausdruck war skeptisch. »Ich glaube, du siehst das zu pessimistisch. Ich kenne kaum Frauen, die keine beste Freundin haben. Du hast doch auch Dorothea oder Marleen.«
»Ich bin ja nicht grundsätzlich gegen Frauenfreundschaften«, versuchte Christine zu erklären. »Ich glaube, man hat für verschiedene Zeiten und Anlässe gute Freunde oder Begleiter. Aber mir fehlt anscheinend das Gen, von dem du vorhin sprachst. Ich gehe weder mit Dorothea noch mit Marleen zusammen aufs Klo, wir erzählen uns auch nicht unsere Liebesgeschichten bis in das kleinste Detail und wir telefonieren auch nicht jeden Tag. Es ist was anderes.«
Ein Gedanke durchzuckte Christine, sie schloss kurz die Augen. Antjes Stimme am Telefon: »Ich bin es, was machst du gerade?« Antje vor dem Spiegel im Waschraum, daneben Christine, die ihren Lippenstift benutzte, Christine in Antjes Ledermantel, Antje, die ihr aufgeregt von Olaf erzählte. Richard holte sie in die Gegenwart zurück.
»Erde an Christine. Was denkst du gerade?«
Christine schüttelte den Gedanken ab. »In meinem alten Leben hatte ich so eine Freundin. Dachte ich wenigstens. Ich habe dir ja mal von Antje erzählt, das fiel mir gerade
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