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Unzertrennlich

Unzertrennlich

Titel: Unzertrennlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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Adresse artikulieren. Es war so peinlich. Sie zog die Decke über den Kopf. Nie wieder Alkohol, nie wieder Kiez.
    Jemand drückte den Klingelknopf ihrer Haustür. Das konnte gar nicht sein. Sie versuchte, das Zifferblatt ihres Weckers zu erkennen. 8.15Uhr. Es klingelte wieder, diesmal länger. Idioten. Beim dritten Mal stand sie schwerfällig auf. Alle Knochen taten ihr weh. Irgendwie war sie beim Aussteigen aus dem Taxi gestürzt. O Gott.
    Christine nahm den Hörer der Gegensprechanlage ab und räusperte sich.
    »Ja, hallo?«
    Ihre Stimme klang verraucht und versoffen. Sie würde so tun, als sei sie erkältet.
    Eine fröhliche Männerstimme meldete sich. »Guten Morgen, Frau Schmidt, Wein aktuell, ich bringe Ihre Bestellung.«
    Das konnte nur ein Witz sein. Oder die gerechte Strafe. Er sollte alles wieder mitnehmen. Sie wollte nie wieder Alkohol trinken. Himmel, war ihr schlecht.
    »Hallo, Frau Schmidt, drücken Sie noch mal auf den Türöffner.«
    Christine drückte den Knopf und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Auf der Kommode vor ihr lag die Ankündigungskarte für den Liefertermin des Weinhändlers. Er hatte recht.
    Zehn Minuten später standen fünf Kisten Rotwein in ihrem Flur, der hübsche und gut gelaunte Fahrer hatte sich mit einem »Dann noch gute Besserung« verabschiedet und Christine ging wieder ins Bett.
    Sie war zu alt für solche Eskapaden. Sie stellte sich zwei mittelalte Frauen vor, die mit verlaufener Wimperntusche und lallend in einem Taxi entweder einschliefen oder beim Aussteigen stürzten. Sie schämte sich unter ihrer Bettdecke, hielt dabei die Hände an den Kopf, um eine Gehirnexplosion zu verhindern. Beim Gedanken an Kopfschmerztabletten wurde ihr wieder schlecht.
    Nach einer halben Stunde zwang sie sich aufzustehen. Ganz langsam. Vorsichtig ging sie ins Bad und sah sich ihr Gesicht an. Sie schminkte sich immer ab, auch im betrunkenen Zustand. Es hätte schlimmer aussehen können. Ihr Blick fiel auf ihren Schmuck, der auf der Ablage lag. Und dann stieg ein Gefühl der Erleichterung in ihr auf. Sie hatte wenigstens nicht geheiratet. Dann lieber aus dem Taxi fallen.
    Christine griff zu ihrer Zahnbürste. Sie hatte heute frei. Sie sah nicht so schlimm aus, wie sie sich fühlte, und sie hatte heute Nacht nicht aus Versehen geheiratet. Der Tag würde schon noch gut werden.
     

Die Sache mit dem Alter
    Letzte Woche war ich beim Friseur. Mein Friseur heißt Holli, er ist gut aussehend, charmant, schwul und sehr jung. Höchstens dreißig. Holli schneidet und wäscht mit Leidenschaft und Liebe, er gibt seinen weiblichen Kundinnen das Gefühl, die schärfsten Schnitten der Stadt zu sein, er macht sie schön und selbstbewusst, man bzw. frau verlässt seinen Laden mit erhobenem Kopf und beschwingtem Gang. Das ging auch mir so, fünf Jahre lang. Bis die Glückseligkeit vorletzten Mittwoch abrupt beendet wurde.
    An diesem Tag beugte sich Holli vor dem Waschenüber meinen Haaransatz und sah mich mit vorwurfsvollem Blick an. Dann strich er meinen Scheitel platt, sah erst mein Deckhaar, dann mich merkwürdig an und sagte in beleidigtem Ton: »Also, Christine, Schätzchen, das geht gar nicht. Du warst erst vor sechs Wochen hier und nun sieh dir diesen Ansatz an. Grau. Er ist grau. Richtig grau. Du, das mit der Tönung kannst du vergessen. Entweder wir färben oder ich weiß auch nicht…«
    Mit hängenden Armen und verzweifeltem Blick stand er hinter mir, ich fühlte mich schuldig. Ja, ich bin über 40, ja, meine Gene sind schlecht, ich habe seit meinem 25.Lebensjahr graue Haare und ja, jetzt bin ich auch noch so alt, dass – Gene hin oder her – alle meine Haare grau werden, und das auch noch ganz schnell. Ich habe mich dafür entschuldigt, Holli nahm die Entschuldigung an, seitdem tönt er nicht mehr sanft, sondern färbt brutal, woraufhin mir vierzehn Tage lang die Kopfhaut juckt.
    Aber nur so bekommt mein Friseur meinen Ansatz in den Griff, schließlich geht es um seine Berufsehre.
    Zwei Tage später hatte ich einen Termin bei meinem Chiropraktiker. Mein Nacken tat mir weh, ich schrieb es dem Stress und meinem alten Kopfkissen zu. Mein Chiropraktiker heißt Michi. Er ist Ende 30, sehr durchtrainiert, ebenfalls charmant und hat eine 26-jährige bildschöne Lebensgefährtin, die mit ihren Modelmaßen an der Rezeption sitzt und jede Patientin alt aussehen lässt. Zumal alle Patientinnen gebückt oder ungelenk gehen, sonst bräuchten sie keinen Chiropraktiker.
    Michi fand es komisch, dass ich dauernd

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