Unzertrennlich
und war eine Klasse unter uns.«
Gudrun sah nachdenklich auf das Bild. »Doch, so langsam kommt alles wieder. Klar kannte ich Christine, aber in der Zeit, als ihr befreundet wart, hatte ich nicht so viel mit ihr zu tun. Das kam erst später. Als ich mit Torsten zusammen war. Er hatte eine Schwester, Antje, und die war die beste Freundin von Christine. Stimmt. Die beiden gehörten auch zu unserer Clique, deshalb haben wir uns dann öfter getroffen. Das war eine witzige Zeit. Ich habe Christine ein paarmal mit zum Reiten genommen, das war aber nicht so ihr Ding. Außerdem war Antje eifersüchtig. Wenn ich schon mit ihrem Bruder ging, sollte ich wenigstens ihre beste Freundin zufrieden lassen.«
Frauke wirkte erleichtert. »Du bist doch noch nicht so senil, wie ich dachte. Tja, Antje. Sie war einer der Gründe, dass Christine und ich uns nicht mehr so oft gesehen haben. Antje hat sich so in unsere Freundschaft reingedrängelt und konnte mich nie leiden.«
»Und du hast dich natürlich nicht gewehrt.« Gudrun sah die Freundin kopfschüttelnd an. »Wie kann man sich nur so beiseite schieben lassen?«
»Es gab auch noch andere Gründe, meine Eltern haben damals im Nachbardorf gebaut, wir hatten keinen gemeinsamen Schulweg mehr, die Busverbindungen waren schlecht, na ja, und die tolle Antje wollte keine anderen Götter neben sich haben. Und mit fünfzehn hast du auch noch nicht das Selbstvertrauen, gegen so ein Mädel wie Antje anzugehen. Das war so eine Hübsche, sportlich, mit Markenjeans und Selbstvertrauen. Na ja, du hattest ja das Vergnügen.«
»Antje ist sicher ebenfalls eingeladen. Dann sehen wir sie ja auch mal wieder.«
Frauke nickte. »Das nehme ich auch an. Ich bin so gespannt. Aber noch was anderes: Ich wollte dich noch bitten, dass du vorher mal mit mir einkaufen gehst.« Sie wirkte verlegen und gleichzeitig aufgeregt. »Ich habe keine Ahnung, was ich anziehen soll.«
Gudrun musste schlucken, Frauke hatte wieder den Gesichtsausdruck, den sie auf einigen alten Fotos hatte. Es hatte etwas Rührendes.
»Na klar. Wir werden ein regelrechtes Powershopping veranstalten. Und anschließend bist du wieder eine Granate.«
Oktober
Hamburg
Der Schlusspfiff ging in einem ohrenbetäubenden Lärm unter. Die Handballfans in der Color-Line-Arena sprangen von ihren Sitzen auf, pfiffen, sangen und applaudierten.
»Mensch, war das knapp, letzte Minute.«
Svens Stimme kippte fast um, er war heiser. Christine sah ihn an, ihre Hände brannten vom Dauerapplaus. Sven pfiff auf zwei Fingern, sprang von einem Bein aufs andere.
»Wahnsinn.«
Plötzlich beugte er sich zu Christine und küsste sie auf den Mund. Verwirrt sah sie ihn an, er hielt ihrem Blick stand, dann küsste er sie wieder.
»Das war für den Sieg. Nicht nur, aber auch. Komm, ich brauche ein Bier.«
Sven griff nach seiner Jacke, wartete, bis Christine ihre übergezogen hatte, und bahnte ihnen einen Weg zum Hallenausgang.
Christine konzentrierte sich auf seinen Rücken. Sie war ein bisschen durcheinander. Der Geruch und die Atmosphäre der Halle ließen sie an alte Zeiten denken. Sie erinnerte sich an das Gewicht ihrer Sporttasche, an das Gefühl von schweren Beinen und Siegerseligkeit, an die Gesichter von Lena und den anderen Spielerinnen. Sie verscheuchte die Gedanken, es war lange her. Stattdessen heftete sie ihren Blick auf Svens helle Lederjacke und seinen blonden zerzausten Hinterkopf. Sie trafen sich heute zum vierten Mal. Vor zwei Wochen war er im Verlag aufgetaucht. Gabi hatte Urlaub, Christine saß allein in ihrem Büro, Sven kam rein, setzte sich auf Gabis Schreibtisch und erklärte, er habe Christines Handynummer gewaschen. Nach dem Waschgang sei der Zettel nicht mehr zu entziffern gewesen, das sei typisch für dieses amerikanische Kaugummipapier, es tauge nichts.
Sein Versuch, ihre Nummer von diesem blonden Gift zu kriegen, sei aussichtslos gewesen, ihrem Blick zufolge hielte sie ihn für einen Perversen. Mathias, der sich sonst zu viel kümmerte, sei auch nicht zu erreichen, weshalb er sich zum Horst machen und Christine persönlich zum Essen einladen müsse.
Sie trafen sich gleich am selben Abend. Sven war ein angenehmer Begleiter. Sie sprachen über Christines Kolumnen, über seinen Job, über ihn und Mathias. Es war ein entspannter Abend. Sven war witzig, Christine albern, sie erzählten sich Geschichten aus ihrer Kindheit. Beide übertrieben, um die Komik zu steigern.
Als Christine anschließend im Taxi saß, dachte sie
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