Unzertrennlich
Fingernägel. Dann sah sie hoch. »Ach, ich kann es dir auch erzählen, aber behalte es bitte erst mal für dich. Ich habe mir hier vorhin eine Wohnung angeguckt. Eine ganz tolle Wohnung, die hätte ich gerne, dann wären wir fast Nachbarn. Hier vorne gleich, über dem Friseur. Es gibt leider sehr viele Bewerber. Deshalb konnte die Maklerin auch nichts sagen, sie ist jetzt zu dem Eigentümer gefahren. Sie meldet sich dann irgendwann.«
Christine wartete ab. Ruth sah nicht so aus, als wäre sie mit ihren Ausführungen zu Ende. Sie brauchte keine Zwischenfragen.
»Ich habe im Sommer jemanden kennen gelernt, so was passiert. Ich weiß nicht, ob du Karsten kennst, du hast ihn, glaube ich, mal gesehen, ist auch egal, jedenfalls ist bei uns ziemlich die Luft raus. Als Markus dann auftauchte, hat mich das ziemlich durcheinander gebracht. Ich wollte eine Entscheidung treffen, ich hätte nur noch ein bisschen Zeit gebraucht. Aber dann hat es irgendjemand Karsten gesteckt. Es gab eine Riesenszene, als ich mit Markus in sein Hotel kam und Karsten im Foyer saß. Das war’s. Karsten hat mich gebeten auszuziehen, es ist ja seine Wohnung. Ich weiß nur nicht, welcher Arsch es ihm verraten hat. Das ist so unfair.«
Christine hatte die Luft angehalten und atmete jetzt wieder aus.
»Unfair, na ja… Aber so hast du jetzt wenigstens eine Entscheidung. Wie geht es dir damit?«
Ruth verrieb einen Wasserrand auf dem Tisch.
»Mich regt auf, dass sich da jemand eingemischt hat. Ich glaube ja, dass es Gabi war, aber Karsten sagt nichts. Und mich nervt dieser Umzug. Und dass Karsten sich so anstellt. So groß können seine Gefühle für mich dann doch nicht gewesen sein.«
Ach Ruth, dachte Christine, dein Blick auf die Welt ist schon beeindruckend.
Ruth ahnte Christines Gedankengänge. »Das klingt alles ziemlich gefühlskalt, ich weiß. Aber es ist nicht ganz so einfach. Karsten und ich sind seit unserer Abi-Fahrt zusammen, das sind fast fünfzehn Jahre. Wir haben uns in der Zeit mindestens vier Mal getrennt und sind anschließend wieder zusammengekommen. Und ehrlich gesagt hatte ich bei den letzten beiden Malen schon das Gefühl, dass wir beide einfach zu faul sind, um neue Partner zu suchen, geschweige denn mal eine Zeit lang allein zu leben. Wir sind aneinander gewöhnt. Was nur bedeutet, dass man keine unliebsamen Überraschungen mehr erlebt. Beziehungsdiskussionen haben wir seit Jahren nicht geführt, wozu auch? Ich gehe mit zum Ärzteball, dafür begleitet er mich zur Verlagsweihnachtsfeier. Es ist über die Jahre zu einem Geschäft geworden. Karstens Gefühlswelt ist auch nicht wirklich zusammengebrochen.«
»Und wieso hat er dir dann eine Szene im Hotel gemacht?«
»Was weiß ich. Vielleicht ist sein männliches Ego verletzt. Vielleicht dachte er, er muss den wilden Mann machen, keine Ahnung. Aber es war wirkungsvoll.«
Ruths Handy klingelte, sie fischte es aus ihrer Tasche.
»Ruth Johannis.«
Sie hörte einen Moment konzentriert zu, dann sah sie auf die Uhr. »Ich könnte in einer halben Stunde da sein, ja? Oder geht das auch morgen früh?« Sie sah Christine an und hob einen Daumen. »Nein, nein, dann komme ich sofort. Das ist ja super, dann bis gleich.«
Sie klappte das Handy zu und machte eine Beckerfaust. »Ja. Das war die Maklerin. Der Eigentümer fliegt morgen in Urlaub und will den Mietvertrag heute aufsetzen. Meine Unterlagen fand er gut, also werden die anderen Besichtigungen abgesagt, ich kann gleich unterschreiben. Ich muss sofort los. Zahlst du für mich mit?«
Sie stand schon und zog ihre Jacke über.
»Ach, Christine, das habe ich ganz vergessen, da war in der Woche, als du krank warst, so ein Typ im Verlag, irgendein Sven. Er wollte eigentlich zu Mathias, der war aber nicht da. Er kam zu uns in die Redaktion und hat mich nach deiner Handynummer gefragt.«
Christine zuckte ein bisschen zusammen, sie wunderte sich selbst.
»Und?«
Ruth sah sie erstaunt an. »Ich gebe doch deine Handynummer nicht einfach so raus, nachher ist das ein Mörder. Na dann, ich rufe dich an, tschüss.«
Christine sah Ruth hinterher, wie sie über die Straße lief.
Sven, dachte sie, hm.
Lübeck
Frauke drückte gerade auf den Knopf der Kaffeemaschine, als es an der Haustür klingelte. Sie sah auf die Küchenuhr, 15Uhr, Gudrun war wie immer pünktlich.
Sie hörte Lisa die Tür öffnen.
»Hi, Mama ist in der Küche. Mama, Gudrun ist da. Und ich fahre zu Insa. Tschüss.«
Gudrun antwortete.
»Brüll mir doch nicht so
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