Unzertrennlich
Bücher und mochten dieselbe Musik, sie hatten zur selben Zeit ähnliche Lieben erlebt.
Im selben Monat, in dem Dani Hannes geheiratet hatte, hatte Christine Malte kennen gelernt. Er studierte Philosophie, las ihr Liebesgedichte von Erich Fried vor, schrieb kleine Zettel mit Liebeserklärungen und glaubte, dass ihre Liebe seine Welt retten konnte. Christine zog bei ihren Eltern aus und bei Malte ein. Sie arbeitete in einer Buchhandlung, er litt unter ihrer langen Abwesenheit. Er rief sie in der Firma an, er holte sie nach Feierabend ab und er war eifersüchtig auf ihre Freundinnen und Freunde, die sie nach und nach für ihn aufgab.
Nach zwei Jahren bekam Christine keine Luft mehr, sie hatte die ewigen Rechtfertigungen satt und schlug Malte eine räumliche Trennung vor. Er lehnte das zutiefst verletzt ab, danach wurde es immer schlimmer. Schließlich wandte sie sich an eine Maklerin, die ihr diesen Hausbesichtigungstermin vorschlug.
Christine hatte noch nie allein gelebt, als sie Dani sah, hatte sie sofort den Wunsch nach einer Wohngemeinschaft im Kopf. Dani war ebenso erleichtert wie Christine.
Das erste Teelicht erlosch und holte Dani wieder in die Gegenwart zurück. Sie betrachtete ihre schrumpeligen Fingerspitzen und merkte auf einmal, dass sie fror. Während sie sich heiß abduschte, lief eine Abfolge von Bildern durch ihren Kopf. Christine, die ihr sonntags im Bademantel mit feuchten Haaren am Küchentisch gegenübersaß, eine ihrer drei Katzen auf dem Schoß, in der Hand ein Buch. Christine, die ihr ab und zu einen Satz vorlas, über den sie dann redeten. Christine, die heulend auf dem Bett lag, nachdem sie erfahren hatte, dass Malte mit einer Kommilitonin zusammenlebte, die bereits vier Tage nach Christines Auszug bei ihm eingezogen war. Christine, die auf einer Wolldecke im Garten lag und zuschaute, wie Dani und ihr Tanzpartner Peter Rock ’n’ Roll übten, damals tanzte sie noch im Verein.
Es gab nichts im Leben von Dani und Christine in diesen drei Jahren, das nicht am gemeinsamen Küchentisch besprochen wurde. Und es gab überhaupt nichts, wofür sie keine Lösung gefunden hatten.
Beim Eincremen dachte Dani, dass sie immer noch dieselbe Körperlotion benutzte, die Christine ihr in dieser Zeit zum ersten Mal geschenkt hatte. Und sie fühlte eine große Sehnsucht danach, mit Christine wieder an dem alten Küchentisch zu sitzen und ihr von Lars zu erzählen. Christine würde zuhören, dann für einen Moment durch das Fenster zum Deich sehen, sich ihr wieder zuwenden und sagen: »Pass auf, das ist doch ganz einfach, das machst du so…«
Dani schraubte die Flasche zu und stellte sie wieder ins Regal.
Bald, dachte sie, schon ganz bald.
Hamburg
Christine schob die zweite Schublade zu und zog dann mit Schwung die dritte auf. Gabi sah hoch.
»Was machst du denn für einen Krach? Suchst du etwas?«
Christine wühlte in ihrem Schreibtisch. »Ich finde überhaupt nichts mehr, jetzt suche ich die Adressaufkleber, ich glaube, ich werde senil, ständig verlege ich irgendwelche Sachen.«
»Die liegen hinter dir, im Regal, die habe ich da hingelegt. Was suchst du denn noch?«
Christine rollte mit ihrem Stuhl an das Regal. »Tatsächlich. Danke. Ich habe gestern Abend stundenlang zwei Blechkisten gesucht und nicht gefunden. Keine Ahnung, wohin die verschwunden sind. Sie standen immer oben auf meinem Kleiderschrank.«
»Du hast Blechkisten auf deinem Kleiderschrank?«
»Das sind so kleine Metalldinger, da sind lauter alte Fotos und Briefe drin. Wieso guckst du so komisch?«
Christine wunderte sich über Gabis erschrockenen Gesichtsausdruck, die sich selbst mit diesen beiden Kisten in Christines Schlafzimmer gehen sah und in ihrer Erinnerung Ines’ Stimme hörte: »Die standen unterm Schrank.« Gabi hatte sie weit nach hinten geschoben.
»Und wozu brauchtest du sie?« Sie spürte, dass sie errötete. Christine merkte es auch.
»Ist dir warm? Meinetwegen kannst du das Fenster öffnen. Ich hole uns mal was zu trinken.«
Als Christine zurückkam, hatte Gabi sich wieder im Griff. Sie nahm Christine die Gläser ab.
»Danke. Und? Wozu jetzt?«
Christine lächelte. »Das war ganz komisch. Ich war am Sonntag bei Marleen, das ist eine Freundin von mir, die in Cuxhaven lebt, ich glaube, ich habe schon mal von ihr erzählt.«
»Die mit der Kneipe, oder?« Jetzt bloß keinen Fehler machen.
Christine nickte. »Genau die. Na ja, wir haben den ganzen Morgen Kartoffeln geschält und dabei ziemlich viel
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