Unzertrennlich
Ach Ines, zeig mir noch mal den Fragebogen von Marie Erdmann, ich weiß noch gar nicht, was ich in meinen reinschreiben soll.«
Sie nahm Ines den Bogen ab und strich ihn glatt.
Hamburg
Christine suchte ihre Blechkisten. Sie war sich ganz sicher, dass sie immer links oben auf dem Kleiderschrank gestanden hatten. Dort lagen aber nur eine Mappe mit alten Versicherungsunterlagen und eine Fahrradpumpe. Letztere hatte Christine irritiert, sie hatte keine Ahnung, wie die dort hinaufgekommen war. Christine nahm sich wieder einmal vor, ordentlicher zu werden. Sie wischte bei der Gelegenheit die Staubschicht vom Schrank und stieg wieder vom Stuhl. Dann setzte sie sich aufs Bett und starrte den Schrank an.
In diesen Kisten lagen alte Fotos und Briefe. Christine war vor fünf Jahren Hals über Kopf bei Bernd ausgezogen, ihre persönlichen Erinnerungen hatte sie einfach irgendwo reingeworfen. Irgendwann wollte sie sie sortieren, aber anfangs hatte sie keine Lust, mehr als nötig an ihr altes Leben erinnert zu werden, und später hatte sie die Sachen einfach vergessen. So wie sie vieles aus ihrem alten Leben verdrängt hatte.
Als Marleen tags zuvor Dani erwähnt hatte, war Christine erschrocken. Sie hatte ganz vergessen, dass die beiden sich seit Christines Hochzeit kannten. Sie selbst hatte von Dani seit über acht Jahren nichts mehr gehört und jetzt erzählte Marleen nebenbei von Danis Liebhaber. Marleen sah danach genauso erschrocken aus, was Christine zunächst verwundert, sie dann aber schnell beiseite geschoben hatte. Sie wollte über Dani sprechen und hatte nachgebohrt.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen, Christine. Vor ein paar Wochen stand Dani plötzlich vor mir und fragte mich, ob ich mich noch an sie erinnern könne, sie hätte mich sofort wiedererkannt. Sie hat ihre Eltern besucht und von da aus mit einigen Freunden eine Fahrradtour gemacht. Das war’s.«
»Und? Wo wohnt sie? Und was macht sie?«
»Ich weiß es nicht, die Kneipe war rappelvoll, ich hatte keine Zeit, mich großartig mit ihr zu unterhalten.«
»Du hast keine Ahnung, wo sie lebt, aber sie hat dir sofort von ihrem jüngeren Liebhaber erzählt? Willst du mich verarschen?«
Marleen schälte schon wieder Kartoffeln. »Das hat sie mir nicht erzählt, das habe ich beim Bedienen durch die Tischgespräche mitbekommen. Ich dachte eigentlich, ich hätte dir von dem Treffen erzählt. Da war ich mir ganz sicher.«
Sie wurden durch das Eintreffen von Marleens Angestellten unterbrochen. Marleen wirkte erleichtert.
Und jetzt suchte Christine die alten Briefe und Fotos von Dani. Irgendwo musste sie noch die Adresse von Danis Eltern haben, die würden wissen, wo ihre Tochter jetzt steckte. Aber wo waren diese dämlichen Blechkisten?
Berlin
Zur selben Zeit klingelte in Danis Wohnung das Telefon. Dani lag in der Badewanne und verdrehte die Augen. Soweit die Gesichtsmaske eine derartige Mimik überhaupt zuließ. Wahrscheinlich war es wieder Lars.
Sie waren am Abend zuvor beim Geburtstag eines Freundes von Lars gewesen. Dani stöhnte bei der Erinnerung auf. Jörg wurde dreißig, seine Freundin Svenja war fünfundzwanzig. Die anderen vier Paare kannten sich alle, Dani war zum ersten Mal dabei. Sie war die Einzige im Hosenanzug, die anderen Mädchen – sie waren wirklich Mädchen – trugen knappe Röcke, enge Hemdchen und bunte Strumpfhosen. Ihre Gespräche kreisten um angesagte Locations, die neuesten Läden und Beziehungsprobleme abwesender Paare. Dani fühlte sich steinalt, was sie in dieser Runde ja auch war. Sie war auch die Einzige, die am nächsten Morgen früh aufstehen musste, alle anderen studierten oder arbeiteten wie Lars frei.
Irgendwann beschloss Dani, dass sie nach Hause musste. Lars bot sofort an, sie zu begleiten, Dani lehnte ab, winkte kurz in die Runde und atmete auf, als sie im Taxi saß. Kaum war sie zu Hause, rief Lars an, der noch vorbeikommen wollte, die Feier sei ohne sie nicht mehr schön. Dani dachte, dass sie das Fest auch mit ihm nicht schön gefunden hatte, und wimmelte ihn ab. Er reagierte beleidigt und blieb bei Jörg.
Und jetzt rief er wahrscheinlich an, um sich zu entschuldigen, was nicht nötig war.
Sie war heilfroh gewesen, als sie allein in ihrem Bett lag.
Dani richtete sich im Wasser auf, um zu verstehen, was Lars ihrem Anrufbeantworter sagte. Aber Lars sagte gar nichts. Stattdessen hörte sie die Stimme von Marleen.
»Hallo, Dani, ich wollte dir nur erzählen, dass ich gestern fast die Überraschung
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