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Titel: Upload Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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anrufen soll. Glücklich bin ich selten gewesen und hier drinnen sowieso nicht, aber inzwischen ist mir auch noch die Klugheit abhanden gekommen.
    Während ich mit den Fingern über die Tastatur fahre, denke ich an all die schrecklich dummen Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe, bis ich irgendwann ganz folgerichtig hier gelandet bin. Am liebsten würde ich in Tränen ausbrechen, mir die Haare ausraufen, mir die Fäuste auf dem Boden blutig trommeln. Gleich darauf geben die nervös über der Tastatur schwe-benden Finger instinktiv die Telefonnummern ein, die ich schon mein Leben lang kenne: die des Hauses, in dem ich aufgewachsen bin, die des Komset, das früher meiner Mutter gehörte, die von meiner Großmutter.
    Oma. Ich tippe ihre Nummer, drücke die Ver-bindungstaste und halte mir den Hörer ans Ohr.
    »Oma?«

298
    »Arthur?«
    »Ja, Oma!«
    »Arthur, ich mach mir solche Sorgen um dich.
    Ich hab gestern mit deinem Cousin und deiner Cousine gesprochen. Sie haben mir erzählt, dass es dir dort nicht besonders gutgeht.«
    »Nein, wirklich nicht.« Im Gegenrhythmus pochen mal die Stiche an meinem Kiefer, mal die schmerzenden Stellen an meinem Rücken.
    »Ich hab Pater Ferlenghetti alles zu erklären versucht, aber konnte mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern. Ihm kommt die Vorgehensweise der Klinik sehr eigenartig vor.«
    »Und das ist sie auch. Den Leuten bin ich völlig gleichgültig. Sie halten mich hier einfach fest.«
    »Er sagte, sie hätten dir erlauben müssen, zur Anhörung deine eigenen Experten mitzubringen, Experten deiner Wahl.«
    »Ja, natürlich hätten sie das zulassen sollen.«
    »Nein, er sagte, sie hätten es dir erlauben müssen , es sei in Massachusetts gesetzlich verankert.
    Weißt du, er hat dort früher mal gewohnt.«
    »Das wusste ich gar nicht.«
    »Oh doch, er war mal Gemeindepfarrer in Newton, ehe er nach Toronto gezogen ist. Er war sich völlig sicher, was dieses Gesetz betrifft, glaube ich.«
    »Wieso ist er damals gerade in Newton gelandet?«

299
    »Oh, er ist nach dem Studium hingezogen. Du weißt doch, er war auf der Harvard University.«
    »Ich glaube, du bringst da was durcheinander.
    Harvard hat doch gar keine Theologische Fakul-tät.«
    »Nein, das war nach dem Theologiestudium. In Harvard hat er eine Ausbildung zum Psychiater absolviert.«
    Ach, du liebe Güte.
    »Ach, du liebe Güte.«
    »Was ist denn, Arthur?«
    »Hast du Pater Ferlenghettis Nummer, Oma?«

300
    >>>>>>>>>>> 28
    Tonaishahs dramatisch geschminktes Ge-
    sicht – sie sah mal wieder wie die Protagonistin in einem Kubrick-Film aus – verzerrte sich zu einer wilden Grimasse, als Art ins Foyer von O’Malley House stürmte. Unter den Augen hatte er wegen des Schlafmangels dunkle Ringe, an den Lippen eingetrocknete Reste des Flugzeug-Fraßes und im Herzen einen so gerechten Zorn, dass er am ganzen Körper zitterte. Als er die Tür heftig aufstieß, krachte der hydraulische Türschließer so laut, als schlüge jemand mit einem stählernen Lineal auf seinen Schreibtisch ein. Sofort schnellte die Tür hinter ihm zu und versetzte ihm einen Stoß. Fast wäre er auf allen vieren gelandet, aber er nutzte den Schwung zu einem Trab durch die Flure bis zu seinem winzigen Büro. Bei den letzten drei Gesprächen mit Fede hatte der Dreckskerl sein Büro okkupiert – und dabei sicher auch seine Unterlagen mitgehen lassen. Allerdings war Art dieser Gedanke erst gekommen, als die Maschine schon Irland überflog.
    Fede war gerade halb aus Arts Bürosessel aufgestanden, als Art ins Büro stürmte. Fede wurde 301
    erfreulich blass und riss vor Schreck die Augen auf. Art hielt nicht inne, sondern ging direkt auf ihn los und verpasste ihm einen Kopfstoß. Während Art einen Hauch seines eigenen Reise-schweißes und Fedes scharfes Lilac Vegetal einatmete, sah er Blut aus Fedes aufgeplatzten Augenbrauen strömen.
    »Tag, Kumpel!« Er trat die Tür so laut hinter sich zu, dass die papierdünnen Wände wackelten.
    »Art! Um Gottes willen, was ist denn mir dir los?« Fede wich in die andere Ecke des Büros zu-rück und stieß dabei Arts ergonomischen Bürosessel um, so dass dessen Verstellstangen wie die Beine eines auf dem Rücken liegenden Käfers in die Luft ragten.
    »TunePay, Inc., wie?« Art stieß den Stuhl gegen Fedes Schienbeine. »Ist dir wirklich kein besserer Name eingefallen, du Blödmann? Oder war das Tobys und Lindas Idee?«
    Fede streckte abwehrend die Hände hoch. »Von was redest du, Junge? Was ist

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