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Könnte aber sein, dass du es als Beleidigung auffasst.«
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»Nur zu. Könnte aber sein, dass ich mich da-rüber aufrege.«
»Machst du … so was … machst du so was öfter? Ich meine, Versicherungen übers Ohr hauen?«
Sie schnaubte, dann stöhnte sie. »Das nennt man die Los-Angeles-Lotterie, Junge. Ich hab’s vorher noch nie gemacht und bin mir, ehrlich gesagt, fast schon wie eine Außenseiterin vorgekommen.
Nicht eingeweiht in die Regeln.«
»Und ich dachte immer, in Los Angeles wären Drehbücher das wahre Glücksspiel.«
»Quatsch. Ein gutes Glücksspiel ist eines, bei dem man auch gewinnen kann.«
Als sie ihm ein schwaches Lächeln gönnte, fiel ihm auf, dass sie links vom Mund ein schiefes Grübchen hatte.
»Dann bist du also aus L.A.?«
»Volltreffer. Aus Orange County. Eine verhin-derte Schauspielerin der dritten Generation. Mein Opa durfte einmal in einem Hitchcock-Film auf-treten und eine Zeile sagen. In den Neunzigern hat meine Mutter in einer dreiteiligen Sitcom von Fox die schusselige Nachbarin gespielt. Und ich warte noch auf meine fünfzehn Minuten im Ram-penlicht. Lebst du hier?«
»Zur Zeit. Seit September. Ich bin aus Toronto.«
»Ausgerechnet ein Kanadier! Ein Zugvogel aus dem Norden. Was machst du denn in London?«
Sein Komset klingelte und verschaffte ihm einen 37
Moment Zeit, so dass er sich eine Tarngeschichte zurechtlegen konnte. »Hallo?«
»Art! Hier ist Fede!« Federico war ebenfalls ein in der MGZ arbeitender Provokateur. Er war nicht direkt Arts Vorgesetzter – bei den Stämmen lief das nicht so –, aber er hatte größere Erfahrung als Art.
»Fede – kann ich dich zurückrufen?«
»Hör mal, ich hab von deinem Unfall gehört und hätte dich gar nicht angerufen, wenn’s nicht so dringend wär.«
Art stöhnte und rollte in Lindas Richtung mit den Augen, um ihr zu verstehen zu geben, dass der Anruf ihm genauso lästig war wie ihr. Gleich darauf zog er sich auf die andere Seite seines Bettes zurück und kauerte sich zusammen.
»Was ist los?«
»Wir sind ausspioniert worden. Ich bin mir zu vier Fünfteln sicher.«
Art stöhnte erneut. Fede lebte in der ständigen Furcht, er könne als Angehöriger des Eastern Standard Tribe entlarvt und bloßgestellt, gefeuert, aus-gewiesen und gedemütigt werden. Stets war er sich der Enttarnung zu mindestens drei Fünfteln sicher, und das zusätzliche Fünftel, das er diesmal addiert hatte, war für Art kaum alarmierend. »Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Es geht um den stellvertretenden Personalleiter von Virgin/Deutsche Telekom. Er hat mich 38
heute Nachmittag zu einer Besprechung einbe-stellt, will die Empfehlungen für die Kernzeiten durchsprechen.« Fede arbeitete als Offline-Berater für McKinsey und produzierte stimulierende Emp-fehlungspakete für Top-100-Unternehmen. Er versuchte, bei europäischen Unternehmen die Bremse anzuziehen, drängte auf mehr Zeit für die Kinderbetreuung und auf Sonderurlaub zur Pflege kranker Angehöriger und Lebenspartner. Der letzte Richtlinienkatalog, den er V/DT aufs Auge ge-drückt hatte, enthielt so viele obskure Freistel-lungsklauseln, dass ein juristisch bewanderter Angestellter mit Fug und Recht 450 bezahlte Ur-laubstage pro Jahr hätte geltend machen können.
Neuerdings plädierte Fede für die Abschaffung der
»Kernzeiten« – europäischer Geschäftsjargon für die Zeit nach dem Mittagessen und vor dem Nickerchen am Nachmittag, in der jeder sich im Büro blicken ließ, damit Gelegenheit für persönliche Gespräche blieb. Falls Fede so weitermachte und damit durchkam, würde die MGZ, die Zone Mittlerer Greenwich-Zeit, bald zur Zielscheibe weltweiten Spotts werden. Und sich darüber hinaus derart in wechselseitige Vernichtungskriege verstricken, dass die deutlich erkennbare Überle-genheit der ÖSZ, der Zone Östlicher Standard-Zeit, deren Ethos sich von Stress nährte, sie schlicht vom Markt fegen würde. Zumindest in der Theorie. Selbstverständlich gab es in jeder Unterneh-39
mensberatung der Welt Angehörige rivalisieren-der Stämme, die gegen uns arbeiteten. Schließlich stützen Unternehmensberater sich von jeher auf die Netzwerke alter Bundesgenossen – und es ist kein allzu großer Unterschied, ob man einen Ver-bindungsbruder aus Studienzeiten ins Geschäft bringt oder einen Stammesbruder. Hätten die Stämme nicht schon existiert, hätten die McKinsey-Gruppe und ihre strafrechtlich nicht belang-baren Mitverschwörer in aller Welt sie erfinden müssen.
»Und
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