Urangst
Himmel nicht tief, sondern tot, flach und starr ist.
Sie sagt: »Weißt du, was das Schlimmste ist?«
»Sag es mir.«
»Die Langeweile.«
»Ja.«
»Sie kehrt dich nach außen.«
»Ja.«
»Aber was ist es, dem sie dich entgegenkehrt?«
»Sag es mir«, sagt er.
»Dort draußen ist nichts.«
»Nichts, was du willst.«
»Rein gar nichts«, verbessert sie ihn.
Ihr Wahnsinn fasziniert Harrow und in ihrer Gesellschaft langweilt er sich nie. Ursprünglich hatte er geglaubt, in ein oder zwei Monaten seien sie miteinander fertig; aber jetzt sind sie schon sieben Monate zusammen.
»Es ist beängstigend«, sagt sie.
»Was?«
»Die Langeweile.«
»Ja«, sagt er aufrichtig.
»Beängstigend.«
»Man muss sehen, dass man immer was zu tun hat.«
Er nimmt den schweren Benzinkanister von der rechten in die linke Hand.
»Das kotzt mich an«, sagt sie.
»Was kotzt dich an?«
»Wenn mir graut.«
»Sieh zu, dass du immer was zu tun hast«, wiederholt er.
»Alles, was ich habe, bin ich selbst.«
»Du hast mich«, ruft er ihr ins Gedächtnis.
Sie bestätigt nicht, dass er ein wesentlicher Bestandteil ihrer Schutzmaßnahmen gegen die Langeweile ist.
Sie haben die Hälfte der Strecke zu dem Haus zurückgelegt.
Ein blinkendes Licht bewegt sich zwischen den starren Sternen, aber es ist nichts weiter als ein Linienflugzeug, zu hoch, um es zu hören, das eine exotische Destination ansteuert. Dort werden zumindest einige Passagiere mit geschärfter Wahrnehmung entdecken, dass diese identisch mit dem Ort ist, von wo sie aufgebrochen sind.
8
Nachdem sie den Wagen von Lotties Einfahrt zu ihrem eigenen Stellplatz vor dem Nebenhaus gefahren hatte, öffnete Amy die Heckklappe, und Nickie sprang in die Nacht hinaus.
Amy erinnerte sich, wie sie aus dem Haus der Brockmans gekommen war und die Heckklappe offen vorgefunden hatte, und wie Jimmy versucht hatte wegzulaufen und der gewissenhafte Hund ihn zum Haus zurückgescheucht hatte.
Er musste Nickie befreit haben, wohl mit dem Vorsatz, gemeinsam wegzulaufen. Nachdem er vier Monate bei Carl Brockman durchgestanden hatte, wäre jeder andere Hund dem Jungen auf der Flucht vermutlich vorausgelaufen.
Als Nickie auf der Einfahrt landete, bückte sich Amy und griff rasch nach der roten Leine, aber die Hündin hatte nicht die Absicht auszureißen. Sie führte Amy um das Fahrzeug herum in den Hinterhof. Ohne eines der üblichen Rituale, die man von Hunden kennt, hockte sie sich hin, um zu pinkeln.
Da Amy selbst zwei Golden Retriever besaß – Fred und Ethel – und da sie gerettete Hunde meist mindestens ein oder zwei Nächte bei sich behielt, bevor sie sie in Pflege gab, nahm sie an, dass Nickie eine Weile brauchen würde, um den Hof zu beschnuppern – um die Nachrichten im Lokalteil zu lesen sozusagen.
Stattdessen begab sich die Hündin, sowie sie ihr Geschäft erledigt hatte, auf direktem Wege zur Veranda hinter dem Haus und sprang die Stufen zur Tür hinauf.
Amy schloss auf, löste die Leine vom Halsband, betrat das Haus und machte Licht.
Weder Fred noch Ethel hielten sich in der Küche auf. Sie mussten im Schlafzimmer eingeschlafen sein.
Am hinteren Ende des Bungalows setzte das Trappeln von Pfoten ein, die erst über Teppichboden und dann über Hartholz liefen und sich rasch näherten.
Fred und Ethel bellten nicht, weil sie dazu erzogen waren, nur mit gutem Grund zu sprechen – etwa wenn ein Fremder vor der Tür stand –, und sie waren brave Hunde.
Meistens nahm sie die beiden mit. Wenn sie allein zu Hause blieben, wurde sie bei ihrer Rückkehr immer mit einer Begeisterung begrüßt, die ihr zu Herzen ging.
Normalerweise tauchte Ethel als Erste auf, überschwänglich und grinsend und mit hoch erhobenem Kopf. Ihre Rute klopfte den Staub vom Türrahmen, wenn sie in die Küche kam.
Ihr Fell war von einem dunkleren Rotgold als Nickies, lag aber durchaus noch im Rahmen der erstrebenswerten Farbskala für die Rasse. Ihre Unterwolle war dichter, als es bei einem Golden Retriever üblich ist, und sie sah herrlich pelzig aus.
Fred folgte Ethel meistens auf dem Fuß. Er war nicht dominant, oft scheu und derart begeistert, Amy zu sehen, dass er nicht nur heftig mit dem Schwanz wedelte, sondern auch mit dem ganzen Hinterteil schlenkerte, weil er seine Freude einfach nicht bezähmen konnte.
Der goldige Fred hatte ein breites, schön geschnittenes Gesicht und eine so vollendet schwarze Nase, wie Amy es noch selten gesehen hatte; sie wurde nicht von dem kleinsten braunen
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