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Urban Gothic (German Edition)

Urban Gothic (German Edition)

Titel: Urban Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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Arbeit auf dem Schrottplatz hatte sich Paul Recycling so vorgestellt, wie er es aus den Wiederholungen von Sanford and Son im Fernsehen kannte. Die Wahrheit sah völlig anders aus. Mit Schrott ließ sich richtig Geld verdienen.
    Vor allem auf dem Schwarzmarkt.
    Es fing ganz simpel an. Und legal. Damals hatte er gerade mal eine Woche auf dem Schrottplatz gearbeitet. An seinem ersten freien Tag durchforstete Paul seinen Keller sowie die Winkel seiner Garage und seines Geräteschuppens. Die verschiedenen ausrangierten Rückstände ihres Lebens lagerten dort vergessen in Kartons, Milchsteigen aus Plastik, Müllsäcken und Truhen. Paul hatte es angenehm überrascht, wie viel weiterverwertbares Material er dabei entdeckte – Deckel von Limonadendosen aus Aluminium, die sie für einen längst vergessenen, wohltätigen Zweck gesammelt, aber nie abgegeben hatten. Messingaufsätze eines alten Schneidbrenners, den er gar nicht mehr besaß. Kupferdrahtreste, die er von verschiedenen Verkabelungsarbeiten zu Hause aufgehoben hatte, Rohrleitungsteile aus Kupfer und Messing und ähnlicher Müll. Am darauffolgenden Montag hatte er alles zum Schrottplatz geschafft und dafür genug Geld bekommen, um eine Rate des Darlehens für ihr Auto abzuzahlen.
    Also hatte sich Paul auf die Suche nach Nachschub gemacht. Davor hatte er noch nie gegen das Gesetz verstoßen. Klar, da gab es einige unbezahlte Strafzettel wegen unerlaubten Parkens, und am College hatte man ihn einmal wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit vor Gericht geladen, mehr aber nicht. Er stürzte sich auf Metalldiebstahl für den Schwarzmarkt, als sei es von Anfang an seine Berufung gewesen. Rückblickend hatte es ihn wahrscheinlich verbittert, wie sich sein Leben entwickelte – immerhin hatte er den Großteil seines Lebens als Erwachsener einem Unternehmen gewidmet und war dann mir nichts, dir nichts wie Müll entsorgt worden. Er redete sich ein, dass er es für Lisa und die Kinder tat – noch nie in seinem Leben hatte er mehr Geld nach Hause gebracht, und obwohl sie nicht wussten, wie er es verdiente, freuten sie sich darüber. Die Wahrheit jedoch sah so aus, dass er seine nächtlichen Ausflüge genoss. Nach einem Leben hinter dem Schreibtisch, einem Leben voller Besprechungen, Memos und Stress, fühlte sich das Dasein als Metalldieb aufregend an. Befreiend.
    Paul plünderte Baustellen, neue Häuser, in denen noch niemand wohnte, Lagereinrichtungen, Gießereien, Warendepots, verlassene Gebäude und sogar andere Weiterverwertungszentren. Er erbeutete Elektrokabel, Verkleidungsteile und Regenrinnen aus Aluminium, Rohre, Kanaldeckel, Platten und Nägel für Eisenbahnschienen, Transformatoren, Bolzen und Schrauben – alles, was sich weiterverkaufen ließ. Es gelang ihm sogar, 36 Meter Stahl und Kupfer von einem alten verlassenen Funkturm in einem abgelegenen Gebiet von Adams County zu ergattern.
    Paul ging dabei clever vor. Er stahl nicht in der Nähe ihrer Wohnung, sondern plünderte stattdessen im restlichen Staat und sogar im benachbarten Ohio und in West Virginia. Er benutzte den nicht auf ihn zugelassenen Van und wechselte bei jeder Fahrt die Nummernschilder. Er hielt sich strikt an Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verkehrsvorschriften, um nicht angehalten zu werden. Da die meisten Schrottverwerter bei jeder Transaktion einen Führerschein verlangten, hatte sich Paul zwei gefälschte Ausweise zugelegt. Wenn er Altmetall verkaufte, tat er es unter den Decknamen Mike Heimbuch oder Jeff Lombardo. Er hatte auf Papier geübt, mit beiden Namen zu unterschreiben, bis die Unterschriften völlig verschieden voneinander aussahen – und gänzlich anders als seine eigene.
    Seit dem wirtschaftlichen Abschwung musste er mehr Metall als je zuvor klauen. Die Preise für Kupfer, Blei und Zink waren tiefer als während der Weltwirtschaftskrise gefallen. Paul hatte sich auf den Weg nach Philadelphia gemacht, weil man sich erzählte, dass es hier reiche Beute zu holen gab. Er hoffte, die niedrigen Preise durch höhere Mengen aufzuwiegen. Er hielt sich zum ersten Mal in der Stadt auf, deshalb hatte er einfach ziellos die Straßen abgekurvt und nach einem Ort Ausschau gehalten, der vielversprechend wirkte. Je tiefer er ins Zentrum vordrang, desto übler waren die Viertel geworden. Paul hatte die Wagentüren verriegelt und stur geradeaus gestarrt, um bloß keine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Als er nun das verwahrloste Haus im viktorianischen Stil direkt vor ihm betrachtete, überlegte er

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