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Urban Gothic (German Edition)

Urban Gothic (German Edition)

Titel: Urban Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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Schatten. Wolken verdeckten den Mond und Düsternis umfing das Ende der Straße.
    »Komisch«, murmelte Leo. »Was zum Henker macht der Kerl?«
    Auf der Straße herrschte Stille, was Perry Unbehagen bereitete. Sonst herrschte auf der Straße nie Stille. Er schaute zu Leo und dessen Freunden. An ihrer Haltung konnte er ablesen, dass die Stille auch sie nervös machte.
    Dann ertönten einige Blocks entfernt Schüsse und sie alle entspannten sich.
    »Meint ihr, der fährt nur rum?«, fragte Markus. »Um die Lage auszukundschaften, bevor er reingeht?«
    Perry zuckte die Achseln. Der Van befand sich nach wie vor außer Sicht.
    »Was immer er treibt«, murmelte Leo. »Er sollte sich besser beeilen. Die sind schon ziemlich lange drin.«
    Die anderen Jungen brummten zustimmend. Perry nickte, erwiderte jedoch nichts. Er persönlich glaubte, dass für die Jugendlichen im Haus ohnehin jede Hilfe zu spät kam.
    Mit einer Hand am Lenkrad ließ Paul Synuria den Van an den Randstreifen rollen. In der anderen Hand hielt er einen Styroporbecher mit lauwarmem Kaffee, den er unterwegs an einem Rastplatz entlang des Pennsylvania Turnpike gekauft hatte. Aufgepeppt hatte er ihn mit einem Schuss Johnnie Walker Black Label. Die halb leere Whiskeyflasche hatte er unter den Sitz geklemmt. Bei ausgeschalteten Scheinwerfern konnte er nicht besonders viel erkennen – in der Nähe des verlassenen Hauses gab es keine funktionierenden Straßenlaternen oder andere Wohnungen. Eine dichte, träge Wolkendecke verhüllte den fast vollen Mond. Der Vorderreifen auf der Fahrerseite holperte über den Randstein. Der Van erzitterte und vibrierte, dann sackte er mit einem Ruck zurück auf die Straße. Paul wurde durchgerüttelt und verschüttete Kaffee über seinen Schritt. Fluchend schob er den Hebel der Automatik in Parkposition, stellte den Kaffee im Getränkehalter ab und kramte herum, bis er eine Fast-Food-Tüte mit einer Serviette darin fand. Er wischte und tupfte seine Hose ab. Es sah aus, als habe er sich vollgepinkelt. Wenigstens war der Kaffee nicht mehr heiß gewesen.
    Die Stereoanlage des Vans wechselte von Slipknots New Abortion zu Jimmy Buffet. Paul sagte zu den Leuten gern, sein vielschichtiger Musikgeschmack reflektiere, dass er ein Mann voller Widersprüche sei. In Wirklichkeit jedoch hatte er Slipknot zum ersten Mal vor ein paar Monaten gehört, als er eine Tragetasche voller CDs auf einer Baustelle fand, auf der er herumgeschlichen war. Lauter Heavy Metal – oder zumindest das, was man heutzutage darunter verstand. Keine langen Haare mehr. Nur noch Gesang, der sich anhörte, als habe das Krümelmonster als Frontman einer Band angeheuert. Paul hatte seinen Fund in einer Pfandleihe verkauft, aber die Alben von Slipknot behalten. Ihm gefielen die melodischen Songs, und die Masche der Band erinnerte ihn an die Frühzeit von Kiss. Die Musik brachte ihn in die richtige Stimmung, bevor er ein Grundstück plünderte.
    So wie jetzt.
    Paul stellte den Motor ab, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Dann tupfte er erneut am Kaffeefleck herum, schüttelte den Kopf und fragte sich nicht zum ersten Mal, wie er so tief hatte sinken können. Früher hatte er als Standortleiter eines Pflegeheims gearbeitet, das Menschen mit psychischen Erkrankungen betreute. Er hatte seinen Job geliebt. Klar, manchmal gab es Stress, aber die Anspannung war täglich verpufft, wenn er zu seiner Familie heimkehrte – zu seiner Frau Lisa und ihren beiden gemeinsamen Kindern Evette und Sebastian. Dann jedoch hatte ein größerer Betreiber das Pflegeheim übernommen und viele Stellen mit eigenen Leuten besetzt. Nach vierzehneinhalb Jahren verlor Paul von einem Tag auf den anderen seinen Job.
    Als seine Arbeitslosenunterstützung auslief, war immer noch keine neue Stelle in Sicht gewesen. In seiner Gegend gab es keine anderen Pflegeheime, und als er in einem größeren Radius suchte, stellte er fest, dass viele Einrichtungen Personal abbauten. Verzweifelt hatte er einen Job auf einem Schrottplatz angenommen.
    Und der führte ihn letztlich hierher.
    Anfangs kam Paul aus dem Staunen nicht heraus. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Altmetall ein derart lukratives Geschäft darstellte. Dank einer zunehmend globalisierten Wirtschaft und dem aktuellen gesellschaftlichen Trend hin zu Umweltbewusstsein handelte es sich um eine Branche mit einem Gesamtvolumen von 65 Milliarden Dollar. Altmetall galt nach Elektronikbauteilen als zweitgrößter Exportposten nach China. Vor der

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