Urban Gothic (German Edition)
stirnrunzelnd.
»Weil ich mein Messer verloren habe, eine Waffe brauche und Brett nicht in der Verfassung ist, zu kämpfen, wenn wir noch mal angegriffen werden.«
Brett kicherte und zuckte zusammen. »Tja, weißt du, ich glaube, ich brauche den Gürtel im Augenblick dringender als du, Kumpel.«
»Du kannst meinen Knüppel haben«, schlug Kerri vor.
Javier lächelte. »Nein, den behältst besser du. So, wie die da aussieht, kannst du ziemlich gut damit umgehen.«
Heather seufzte ungeduldig. »Also, wenn die Türen und Fenster alle blockiert sind, warum hämmern wir uns dann nicht den Weg nach draußen frei? Ich habe immer noch meinen Ziegelstein.«
Brett antwortete, bevor es jemand anders tun konnte. »Durch die Mauern kommen wir unmöglich durch. Nicht ohne Vorschlaghammer oder etwas Ähnliches.«
Javier starrte eine Weile auf seine Hände, dann schaute er nacheinander seine Freunde an. »Also müssen wir einen anderen Weg finden. Und ich weiß auch schon, wie.«
»Was hast du vor?« Kerri sprach leise, trotzdem klang jedes Wort angespannt. Sie hatte bemerkt, dass Bretts Atmung zunehmend unregelmäßiger wurde.
Javier sah zur Falltür in der Decke. »Da haben wir einen Durchgang, der nicht blockiert ist.«
Heather schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall.«
»Wie wollen wir Brett da hochschaffen?«, gab Kerri zu bedenken. »Sieh dir seine Hand an. Mit der kann er nicht herumkriechen.«
»Er muss aber. Oder wir verstecken ihn hier und holen Hilfe.«
»Ich komme mit«, flüsterte Brett. »Das schaff ich schon.«
»Wir sehen mal, wohin der Durchgang führt«, sagte Javier. »Dann suchen wir nach dem Keller, von dem uns Brett erzählt hat. Eine Alternative gibt es im Moment nicht. Wir müssen entweder einen Weg nach draußen finden oder etwas, das uns hilft, an den Blockaden vorbeizukommen.«
»Was ist, wenn wir alle zusammen versuchen, sie zu verschieben?«, schlug Kerri vor.
»Nein.« Javiers Stimme klang leise, aber bestimmt. »Das hab ich schon versucht. Ich glaube, irgendetwas fixiert sie.«
Hustend setzte sich Brett auf und begann, sein blutiges T-Shirt auszuziehen. »Ob mir wohl mal jemand helfen könnte?«
»Was machst du da?« Kerri versuchte, ihn gegen die Wand zu lehnen.
»Ich muss mein T-Shirt als Druckverband verwenden. Javier braucht meinen Gürtel.«
Kerri schob die Hände unter ihre Bluse und öffnete ihren BH. Sie zog ihn durch den Ärmel heraus.
»Versuch’s damit. Sollte besser dafür geeignet sein.«
Brett grinste. »Beeindruckend.«
»Ja. Tyler hat früher immer ...«
Sie verstummte, konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Es überraschte sie. Angesichts all dessen, was sich ereignet hatte, während sie in diesem Korridor eingesperrt waren, hatte sie Tyler völlig vergessen. Kerri vermutete, dass sie nach Tylers Tod kurz vor einem Nervenzusammenbruch gestanden hatte – dicht vor dem Wahnsinn. Aber hier in diesem Flur hatte sie all das verdrängt. Sie hatte die Mutantin getötet, einen Druckverband angelegt und ein Seil geknotet, Javier gerettet und anschließend einen weiteren Druckverband aus ihrem BH gebastelt, als sei sie MacGyver mit Titten. Nun verpuffte ihre proaktive Einstellung, als die Erinnerung an ihren toten Freund mit voller Wucht zurückkehrte.
»Der ist perfekt.« Javier nahm den Büstenhalter entgegen und kniete sich neben Brett. Seine Hände bewegten sich flink und geschickt, als sie das noch warme Kleidungsstück um Bretts Handgelenk wickelten und fest zusammenzogen. Kurz darauf entfernte er den Gürtel und untersuchte Bretts Finger.
»Heather, kannst du mal auf seine Hand leuchten?«
Heather hielt das Display über Bretts Hand, und sie alle beugten sich näher hin. Die verbliebenen Finger schwollen immer noch an. Kerri zuckte zusammen, als sie die Verletzung untersuchte. Sie begriff nicht, wie Javier die Wunde mit derart nüchterner Teilnahmslosigkeit betrachten konnte.
»Gut«, meinte Javier. »Die Blutung hat aufgehört. Das war eine wichtige Sofortmaßnahme, aber wenn wir dich nicht bald zu einem Arzt schaffen, hast du größere Sorgen als ein paar Finger. Du brauchst eine Blutzirkulation in der Hand, sonst verlierst du sie komplett.«
Brett räusperte sich und zog die Hand aus dem Licht. »Dann lasst uns gehen, statt dumm hier rumzusitzen.«
Sein Tonfall klang unbeschwert, dennoch hörte Kerri die Angst aus seiner Stimme heraus. Sie konnte nachvollziehen, wie er sich fühlte. Brett hatte schon immer Witze gerissen oder lässig dahergeredet, wenn
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