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Urban Gothic (German Edition)

Urban Gothic (German Edition)

Titel: Urban Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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hinab.
    »Ja«, murmelte er. »Sie haben recht.«
    »Entschuldige dich bei dem Mann«, forderte ihn Leo auf.
    »Das braucht er nicht«, ergriff Mr. Watkins das Wort. »Gibt keinen Grund, sich dafür zu entschuldigen, dass er dasselbe empfindet wie der Rest von uns. Aber ich sag dir, was du stattdessen tun kannst, Markus.«
    »Was?«
    »Lauf die Straße zurück zu meinem Haus. Sag Lawanda, sie soll in den Keller runtergehen und mein Brecheisen und meinen Vorschlaghammer holen. Und dann bring beides her.«
    »Sie wollen die Tür einschlagen?«, fragte Chris. »Werden die uns drinnen nicht hören?«
    Mr. Watkins zuckte mit den Schultern. »Wenn außer diesen Kids noch jemand da drin ist, dann könnt ihr eure Ärsche drauf verwetten, dass sie uns durch all das Gebrüll und Gezänk längst bemerkt haben. Das Überraschungsmoment haben wir verloren. Also können wir jetzt getrost einfach mit der Dampframme reinstürmen.«
    Als Markus über die Straße davontrottete, zog Mr. Watkins die Pistole und wandte sich der Eingangstür zu.
    Grinsend versetzte Leo dem älteren Mann einen verspielten Stoß gegen die Schulter.
    »Scheiße, Mr. Watkins! Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie so hart drauf sind. Das war richtig Gangsta-mäßig!«
    Mr. Watkins lächelte nicht. Stattdessen schwieg er eine Weile und zündete sich noch eine Zigarette an. Als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme leise, beinahe traurig.
    »Ich bin kein Gangster, Leo. Ich bin nur ein verärgerter Schwarzer im mittleren Alter, der vor lauter Bauch seinen Pimmel nicht mehr sehen kann, bei seiner Frau nur noch an den Feiertagen ran darf, dafür angebrüllt wird, wenn er im Haus raucht, seinen beschissenen Job hasst und es satt hat, mit anzusehen, wie sich dieses Viertel in Dreck verwandelt, weil dieses Viertel alles ist, was er noch hat. Und was Härteres gibt’s auf der ganzen Welt nicht.«
    Sie warteten, und als Markus zurückkam, setzten sie sich mit grimmiger Entschlossenheit in Bewegung. Wortlos reichte Mr. Watkins Leo die Pistole und Chris das Brecheisen. Mit einem Grunzen brachte er selbst den Vorschlaghammer in Anschlag. Der knallgelbe Glasfasergriff schien in der Dunkelheit zu leuchten.
    Mr. Watkins warf den Stummel seiner Zigarette auf die Straße und trat vor.
    »Okay, Jungs. Klopfen wir noch mal an.«
    Sie stapften zur Veranda hinauf und gaben sich keine Mühe mehr, ihre Gegenwart zu verheimlichen. Dann hob Mr. Watkins den Vorschlaghammer an, schwang ihn und legte sein gesamtes Gewicht dahinter. Die Tür erzitterte im Rahmen. Holz splitterte mit einem lauten Knacken.
    »Hört mal!«, stieß Dookie hervor.
    Aus dem Haus vernahmen sie alle das Geräusch davoneilender Schritte.
    »Glaubt ihr, das sind diese weißen Kids gewesen?«, fragte Leo und umklammerte nervös den Griff der Pistole.
    »Gibt nur eine Möglichkeit, das rauszufinden«, erwiderte Mr. Watkins und holte erneut mit dem Hammer aus.

17
    Heather hielt in einer Hand das geschärfte Buttermesser, in der anderen die flackernde Lampe. Beide Gegenstände bebten durch ihr unkontrollierbares Zittern. Sosehr sie sich bemühte, es zu unterdrücken, es gelang ihr nicht. Schlimmer noch, obwohl sie ihren Atem bei jedem Luftzug in Form einer weißen Wolke vor sich schweben sah, war Heather schweißgebadet. Beides keine idealen Voraussetzungen für eine Flucht. Sie wusste nicht, ob es am Schockzustand, an ihrer Angst, an der Temperatur oder einer Kombination von allem lag, aber sie empfand es als ärgerlich und deprimierend. Auch ohne das Klappern ihrer Zähne gestaltete es sich schon schwierig genug, auf Verfolger zu lauschen. Einzig ihre Füße zitterten nicht. Sie fühlten sich stattdessen vollkommen taub an. Heather hatte versucht, sich in die Sohlen zu kneifen, aber lediglich ein leichtes Ziehen gespürt. Sie konnte zwar noch laufen, besaß jedoch keinerlei Gefühl mehr in den Füßen.
    Seit sie die seltsame Grotte hinter sich gelassen hatte, war der Boden auf dem Weg durch den schmalen Tunnel stetig angestiegen. Sie hatte jedes Zeitempfinden verloren und somit keine Ahnung, wie lange sie schon durch die Gänge kroch. Die Dunkelheit und ihre Erschöpfung lasteten schwer auf ihr, und sie fand es zunehmend schwieriger, sich zu konzentrieren. Ständig kehrten ihre Gedanken zu der bizarren Sammlung von Fotos und Zeichnungen zurück und versuchten, ihnen eine Bedeutung zu entlocken – eine Erklärung für die grauenhaften Ereignisse der Nacht. Heather wurde immer frustrierter, als sie darüber

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