Urban Gothic (German Edition)
Flutwelle kriechender, hopsender und in manchen Fällen sich schlängelnder Mutanten, die wie hungrige Babys quäkten – und genau das schienen sie auch zu sein.
Der geballte Gestank der Horde wurde überwältigend, als sich die Monstrositäten näherten. Heather schüttelte ihre lähmende Benommenheit ab. Sie schleuderte ihnen die Laterne entgegen und wirbelte auf den Knien in die andere Richtung herum. Sie hörte Glas zerbrechen und Metall klirren, als die Lampe vom Gestein hinter ihr abprallte. Kurz flammte ein grelles Licht auf und die Missgeburten kreischten. Auch Heather kreischte. Sie krachte heftig genug gegen die Tunnelwand, um blaue Flecken davonzutragen, und begann, in die Richtung zurückzukriechen, aus der sie gekommen war. Ohne auf die Verletzungen zu achten, die der Steinboden ihren Handflächen und Knien zufügte, hastete sie blindlings voran. Das Licht wurde trüber und erlosch. Finsternis breitete sich im Tunnel aus, doch das störte Heather nicht. Schließlich kannte sie den Weg zurück zur Kammer. Abzweigende Stollen, in denen sie sich verirren konnte, gab es nicht. Wichtiger noch, in der Dunkelheit konnte sie die Schreckensgestalten nicht sehen, die sie verfolgten.
Allerdings konnte Heather sie hören. Nachdem das Feuer erlosch, wurden ihre Schreie rasend. Sie hetzten hinter Heather her, und wenngleich ihre Missbildungen und Behinderungen sie bremsten, klangen sie hartnäckig und aufgebracht. Heather kroch schneller, bleckte die Zähne und weitete die Augen in dem verzweifelten Versuch, etwas zu sehen. Ihr Herz raste in der Brust, ihre Lunge arbeitete wie ein Blasebalg. Das Echo ihres Keuchens schien zu ihr zurückzuhallen. Jedes Mal, wenn ihr ein scharfkantiger Stein die Handflächen aufschnitt oder die Arme zerkratzte, ignorierte sie die Schmerzen. Angetrieben von Adrenalin und blanker Angst blieben Heather nur Berührungen und Geräusche als Orientierungshilfen, und sie schlug sich den Kopf an einer von der Decke ragenden Felsnase. Die Wucht des Zusammenpralls ließ sie flach auf den Bauch zusammenbrechen. Sie schrie auf und die Kreaturen jauchzten. Warmes Blut lief ihr ins linke Auge. Sie betastete mit den Fingerspitzen ihre Stirn. Über der linken Augenbraue stieß sie auf eine Platzwunde. Als Heather sie berührte, zuckte sie heftig zusammen. Sie wischte das Blut weg und versuchte, sich hochzustemmen.
Dicke, klamme Finger schlossen sich um ihr Fußgelenk. Schreiend trat Heather aus und die Finger lösten sich von ihr. Gleich darauf kehrten sie zurück und packten kräftiger zu. Andere Fortsätze gesellten sich hinzu – Tentakel, Finger, Zähne und Dinge, die sie sich vor lauter Angst lieber nicht ausmalen wolle. Heather wirbelte herum und schwenkte wild das Messer vor sich. Mehrere der Kreaturen heulten auf und bespuckten sie. Ihr Fuß schlitterte über etwas, das sich wie ein Brustkorb anfühlte. Sie stach mit dem Messer nach unten auf eine kleine Hand ein, die ihren Oberschenkel drückte. Der Tunnel füllte sich mit Geschrei – ihrem und dem der Kreaturen. Etwas Warmes und Nasses – Blut oder Speichel – spritzte auf ihre Wange. Heather robbte rückwärts, trat weiter aus und schwang das Messer. Die Monstren wichen zurück. Sie begann, wegzukriechen, doch etwas sprang auf Heathers Brust und schlug ihr ins Gesicht. Trotz der geringen Größe des Mutanten erwies sich der Hieb als kraftvoll. Ihre Wange brannte, ein Summen erfüllte ihre Ohren. Von der Platzwunde über der linken Braue floss ihr weiteres Blut ins Auge.
Ein anderes Monster nagte an ihrem Arm. So, wie es sich anfühlte, besaß es wohl keine Zähne. Heather schlug danach und spürte schuppige Haut. Sie schwang den Arm, stieß das Ungetüm auf ihrer Brust von sich und griff die Schuppenkreatur mit dem angespitzten Buttermesser an. Beide Angreifer ließen von ihr ab. Heather schwenkte herum und kroch wieder los. Das Messer rutschte ihr aus den Fingern.
»Nein. Nein, nein, nein, nein, nein ...«
Schluchzend tastete Heather über den Boden. Ihre Hand schloss sich um den kühlen Metallgriff. Dann erstarrte sie. Ihre Muskeln krampften sich zusammen, ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Sie versuchte, zu brüllen, doch nur ein zittriges Seufzen drang zwischen ihren Lippen hervor.
Heather war mit Schmerzen durchaus vertraut. Im Alter von sieben Jahren hatte sie sich beim Sturz von einem Baum die Schulter ausgerenkt. Damals war ihr durch die Qualen übel geworden. Als sie einige Jahre später mit ihrem Bruder und
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