Urban Gothic (German Edition)
jungen Frauen ist mir vorhin entwischt. Ich muss ihr hinterher. Und die anderen müssen wir auch noch schnappen.«
Das behaarte, schweigende Mädchen schwenkte abrupt den Kopf in Javiers Richtung und schnupperte. Ihre Lippen bebten, ihre Augen schienen größer zu werden. Aus ihrem geöffneten Mund troff ein dünner Speichelfaden.
»Was ist mit ihr?«, fragte Scug. »Ziel mit diesem Leuchtstab dort hinüber.«
Bevor sich Javier rühren konnte, hatte ihn der Strahl der Taschenlampe bereits erfasst. Alle drei Freaks schrien vor Überraschung und Schreck auf. Javier konnte nachvollziehen, wie sie sich fühlten. Bevor er Luft holen konnte, hatte sich das behaarte Mädchen schon in Bewegung gesetzt. Tief geduckt stürmte sie auf ihn zu, die Finger wie Klauen gespreizt.
Javier versuchte, den Angriff abzuwehren, indem er einen Arm hochriss, doch er hatte zu lange regungslos ausgeharrt. Zudem fühlten sich seine Beine wackelig an. Statt ihren Ansturm zu bremsen, verlor er stolpernd das Gleichgewicht und prallte gegen die Wand. Er besaß die Geistesgegenwart, die Hüfte seitwärts zu drehen, um seine Weichteile zu schützen, aber den Angriff konnte er nicht mehr verhindern.
Das Mädchen traf ihn heftig und schnell. Ihre abgebrochenen Fingernägel zerfetzten seinen Ärmel und rissen ihm am Ellenbogen die Haut auf. Javier brüllte vor Schmerz und taumelte rückwärts. Die Behaarte klammerte sich an seinem Arm fest und fiel auf ihn, landete rittlings auf seiner Brust. Ihr Knurren klang eher animalisch als menschlich und sie rammte ihm eine Faust in den Bauch. Die Luft wurde Javier mit einem Zischen aus der Lunge gepresst. Seine Gegnerin setzte mit einem zweiten Schlag in die Eier nach.
Javier wehrte sich in etwa so wirksam wie ein Kleinkind. Er versuchte sich aufzurichten und sie von sich zu stoßen, doch die Mutantin holte mit einem Arm aus und versetzte ihm einen Rückhandhieb. Die Wucht des Treffers schleuderte seinen Kopf gegen die verdichtete Erde unter ihm. Sterne tanzten vor seinen Augen. Wieder gruben sich ihre Nägel in seinen Arm. Javier spürte ein Brennen, dann lief warme Flüssigkeit über sein Handgelenk und die Elle. Die Schmerzen waren heftig und ihm drehte sich der Magen um.
Das Gesicht des Mädchens schoss vorwärts wie eine zustoßende Kobra und Javier riss den Kopf gerade noch rechtzeitig zur Seite, um zu verhindern, dass ihre Zähne einen Teil seiner Wange wegfetzten.
»Herrgott noch mal! Runter von mir, du Miststück!«
»Helfen wir ihr bei dem da«, hörte er Scug sagen. In der rauen, phlegmatischen Stimme des Freaks schwang ein Hauch von Belustigung mit.
Die Behaarte grunzte und versuchte, Javier erneut zu schlagen, während sie gleichzeitig die Beine benutzte, um ihn zu fixieren. Der Kopf schnellte mit schnappenden Zähnen vor. Hinter seiner Gegnerin näherten sich Scug und die andere Frau mit wilden, gierigen Mienen. Die Taschenlampe in der Hand der Frau bestand aus Metall statt aus Kunststoff. Javier wusste, wenn es ihr gelang, ihn damit zu schlagen, konnte sie gehörigen Schaden an seinem Kopf anrichten.
»In dem steckt noch Kampfgeist«, stellte Scug fest. »Wir werden ihn ein wenig ausbluten lassen müssen, bevor wir ihn zurückbringen. Damit er schwächer wird. Aber nicht so viel, dass er stirbt. Ich hasse es, ihre Leichen zurückschleifen zu müssen. Ist viel besser, wenn sie noch aus eigener Kraft laufen können. Curd sieht das auch so. Er sagt, je frischer sie getötet werden, desto besser schmecken sie.«
Abermals versuchte Javier, das Mädchen abzuschütteln und sich aufzusetzen, doch bevor es ihm gelang, fielen die anderen über ihn her und drückten ihm Hände und Kopf zu Boden. Sie spreizten seine Arme, pressten ihre klauenartigen Fingernägel gegen die weiche Haut an den Handgelenken und zogen sie darüber. Blut quoll hervor. Javier krümmte und wand sich, aber ihrer vereinten Kraft konnte er nichts entgegensetzen. Nur schreien.
»Das reicht«, sagte Scug zu den Frauen und leckte sich über die Lippen, als er beobachtete, wie das Blut floss. »Nicht tiefer, sonst blutet er zu stark. Wir wollen ihn nur schwächen, nicht töten. Jedenfalls noch nicht.«
»Ihr Dreckschweine«, stieß Javier keuchend hervor. »Ihr versifften, gottverdammten ...«
Scug schlug Javier mit den Knöcheln seitlich gegen den Kopf. Javier wollte dem Freak in die Hand beißen, aber Scug riss sie zurück, bevor er es schaffte. Seine Zähne klackten aufeinander. Er spürte, wie warme Flüssigkeit seine
Weitere Kostenlose Bücher