Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)
Rucksack«, brachte ich keuchend hervor.
Ich hörte ein raschelndes Geräusch, dann spürte ich pulsierende Wärme auf meinem Rücken. Daniel saß neben mir und presste den Stein auf die nackte Haut meines Nackens. Ich ließ die beruhigende Wärme durch meinen Körper strömen und die Dunkelheit ablösen, die in mein Herz gekrochen war. Das wilde Zucken meiner Nerven verebbte zu einem Zittern.
Ich sah zu Daniel auf. Sein zerrissenes Hemd stand offen und enthüllte drei lange rote Kratzer auf der Haut über seinem Schlüsselbein, dort wo meine Fingernägel ihn erwischt hatten. Doch es war der Ausdruck auf seinem Gesicht, der meine Augen mit Tränen füllte.
Er sah nicht mich dort auf dem Bett liegen.
Er sah den Wolf.
KAPITEL 21
Die schreckliche Grace
Zehn Minuten später
Ich hockte mich so weit wie möglich von Daniel entfernt an den Rand der Matratze, umklammerte den Mondstein in meiner Hand und wiegte mich im Rhythmus seines Pulsierens vor und zurück. Daniel rutschte vorsichtig zu mir herüber und streckte die Hand nach dem zerrissenen Ärmel meines Hemds aus.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Bitte fass mich nicht an.« Ich wollte ihn nicht in meiner Nähe haben, wollte vermeiden, dass ich ihm womöglich erneut wehtat.
»Wie konnte das passieren, Grace?« Daniels Stimme überschlug sich ein wenig. Versuchte er, seinen Zorn zu dämpfen? »Ich begreife nicht, wie der Wolf so viel Kontrolle über dich erlangen konnte.« Seine Stimme krächzte wieder. »Das ist alles mein Fehler. Gabriel hatte recht. Ich hätte niemals anfangen dürfen, dich zu trainieren. Ich dachte, das hier würde nicht passieren, wenn ich dir zeige, wie du deine Balance halten kannst. Es ist meine Schuld. Ich habe dein Training nicht rechtzeitig beendet.«
»Nein«, erwiderte ich. »Gib dir nicht die Schuld. Ich bin verantwortlich, nicht du. Ich habe nicht mit dem Training aufgehört …« Meine Lippen zitterten und ich konnte nicht weitersprechen. Ich hatte schon reichlich Tränen vergossen, doch jetzt überkamen mich weitere Schluchzer.
»Was meinst du damit? Was hast du getan? Was ist mit deinem Arm passiert? Und warum zum Teufel …?« Er brach ab, so als wollte er sein Temperament zügeln. »Warum hast du deinen Mondstein nicht getragen?«
Eine Million Lügen rauschten durch meinen Kopf, eine Million Entschuldigungen, mit denen ich Daniel hätte erklären können, warum ich den Mondstein, meine Absicherung, nicht trug. Doch wozu sollte ich noch weiter lügen?
»Ich hab ihn abgenommen, um meine Identität zu verbergen. Ich habe ein Mitglied dieser Bande von unsichtbaren Dieben gestellt. Sie nennen sich die Shadow Kings. Ich habe ihn getötet. Er war ein Dämon und ich habe einen Pfahl durch sein Herz getrieben.«
Ich hörte, wie Daniel scharf die Luft einsog.
»Doch eigentlich habe ich den Mondstein abgenommen, weil ich beweisen wollte, dass ich ihn nicht brauche.« Ich schüttelte den Kopf. »Das war ein Fehler.«
Gabriel hatte doch recht.
Wie alle anderen verlor ich mich an den Wolf.
Ich hatte den Wolf in meinen Kopf und mein Herz gelassen und er hatte versucht, meine Persönlichkeit zu übernehmen. Er hatte mich die Person verletzen lassen, die ich am meisten liebte. Ich war nicht stärker. Ich war nicht besser. Ich war nicht anders.
Die Matratze bewegte sich, als Daniel aufstand. Ich konnte seine Schritte hören, als er neben das Bett trat. Dann blieb er erst wieder stehen, als er auf der anderen Seite des Zimmers angekommen war. »Hilf mir zu verstehen,was du da sagst. Du bist ganz allein der Bande nachgegangen? Wozu sollte das gut sein?«
»Weil ich Jude finden wollte. Ich wollte meine Familie wieder vereinen. Ich bin dieser Bande gefolgt, weil ich nicht wusste, wie ich ihn sonst hätte finden können. Du wolltest mir nicht helfen. Weder du noch Gabriel noch mein Vater. Und dann habe ich jemanden getroffen, der mir helfen wollte. Ich habe das alles nicht allein getan. Ich habe jemanden getroffen, der an mich glaubte.«
»Wie meinst du das, du hast jemanden getroffen? Von wem redest du, Grace?«
»Sein Name ist Nathan Talbot. Er ist ein Dämonenjäger. Ein Hund des Himmels. Ich habe ihn im Depot kennengelernt, als ich mit April dort gewesen bin. Er hat uns bei einer Streiterei beschützt. Er trainiert mich. Er bringt mir die Dinge bei, die du mir nicht beibringen konntest.«
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wegen deines Verhaltens in letzter Zeit. Du wolltest, dass ich
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