Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)
fauchte Caleb mich an. »Du wirst ihm so ganz und gar verfallen, dass du nur noch mich allein sehen kannst, wenn du aus diesem herrlichen Abgrund aufschaust, in den du dein Leben verwandelt hast. Und dann gehörst du mir.«
Er machte eine knappe Handbewegung. Das Wolfsrudel brach durch die Tür. Ich wollte schreien, weglaufen oder in Ohmacht fallen, kämpfte aber dagegen an. In zwei Reihen kamen sie auf mich zu, verteilten sich und bildeten einen Kreis. Jetzt gab es kein Entkommen mehr. Mein Körper bebte. Schmerz stieg unter meiner Haut auf. Meine Muskeln drohten zu explodieren. Der Dämon in meinem Kopf befahl mir, ihn freizulassen.
Ich durfte es nicht geschehen lassen.
Ich durfte die Kontrolle nicht verlieren.
Einer der Wölfe stürzte auf mich los. Ich trat ihm mit dem Fuß in die Seite und er flog durch die Luft. Als er mit einem Krachen auf dem Boden aufschlug, jaulte er vor Schmerzen.
Nicht so hart, Grace,
befahl ich mir selbst. Ich wusste nicht, ob Selbstverteidigung als ›raubtierhafter Akt‹ gerechnet wurde, aber ich konnte es einfach nicht riskieren, eines dieser Biester zu töten. Ich durfte sie nichteinmal töten
wollen
. Sie hatten noch immer menschliche Herzen hinter ihren Wolfsherzen.
Der zweite Wolf griff an. Ich gab ihm einen Tritt. Er schien kaum etwas gespürt zu haben und stürzte wieder auf mich zu. Ich versetzte ihm einen Hieb auf die Schnauze. Blut spritzte aus meinem Knöchel hervor, als ich einen seiner messerscharfen Zähne erwischte. Die anderen Wölfe hatten anscheinend das Blut gerochen und gerieten in völlige Raserei.
Zwei weitere Wölfe kamen jetzt gleichzeitig auf mich zu. Ich wehrte einen ab, doch der andere langte mit seinen Klauen nach meinem Bein, bevor ich ihn wegstoßen konnte. Blut rann aus der Wunde und durchnässte meine zerrissene Strumpfhose.
Ich konnte gar nicht darüber nachdenken, die Verletzung heilen zu lassen, denn schon sprang ein anderer Wolf auf meinen Rücken und brachte mich fast zu Fall. Er rammte seine Zähne in meine Schulter. Scharf brennendes Gift schoss durch meinen Arm und meinen Rücken. Ich konnte das Gewicht des Wolfs nicht viel länger aushalten, warf daher den Kopf nach hinten und knallte ihn vor den des Wolfes. Er heulte auf und rutschte herunter, wobei seine Klauen das Rückenteil meines Capes zerfetzten.
Ein weiterer Wolf stürzte sich auf mich, rammte mir die Zähne in die Seite und durchbohrte meinen Bauch. Ich spürte, wie irgendetwas in meinem Rücken zerplatzte. Eine Niere? Ich schrie verzweifelt auf und verwandte alle mir verbliebenen Kräfte, um den Wolf abzuschütteln.
Ich fasste gerade nach meiner blutüberlaufenen Seite, alseiner der anderen Wölfe seine Zähne in mein Bein bohrte. Mein verletzter Knöchel gab nach. Ich schrie und fiel vornüber auf den Zementfußboden.
Die sechs Wölfe umkreisten mich, jaulten und schnappten nach mir. Ich rechnete mit dem Todesstoß, doch keiner der Wölfe löste sich aus seiner abwartenden Haltung. Caleb musste ihnen ein Zeichen gegeben haben, sich noch zurückzuhalten. Wahrscheinlich gefiel es ihm, mich dort in einer Lache meines eigenen Blutes liegen zu sehen.
Steh auf
, heulte die schreckliche Stimme in meinem Kopf.
Steh auf. Töte sie! Du willst, dass sie sterben. Steh auf und töte sie alle!
»Nein!«, schrie ich zurück. Ich versuchte, mich vom Boden hochzustemmen, doch meine Arme zitterten so stark, dass ich auf mein Gesicht fiel. Mein Körper zuckte wie wild, so als wäre etwas in mir und kämpfte darum, hinauszugelangen. Eine brennende Flamme in meinem Innern hüllte mich ein und züngelte an meiner Seele.
Töte sie! Töte sie!
, sang die Stimme des Wolfs in meinem Kopf.
Sie verdienen es, zu sterben! Steh auf und töte sie, bevor sie dich töten!
Ich rollte mich zu einem Ball zusammen. Tränen liefen über mein Gesicht.
Lass mich sie töten. Es gibt keinen anderen Ausweg! Gib dich mir hin und wir töten sie alle.
Ich heulte verzweifelt auf, als meine Muskeln verkrampften und Kopf und Körper in einem unkontrollierbaren Anfall zuckten.
»So ist es gut!« Caleb beugte sich über die Brüstung der Galerie. »Du willst mich töten, nicht wahr? Hier bin ich, meine Kleine. Komm her und hol mich!«
Ja, töte Caleb. Töte ihn, und alles hat ein Ende!
»Nein«, flüsterte ich. Es musste einen anderen Weg geben. Daran glaubte ich. Wirklich.
Ich rollte mich auf den Rücken, blickte zur Decke und stellte mir vor, ich könnte den Himmel dort draußen sehen. »Lieber Gott«,
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