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Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Titel: Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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Schuljahr erteilt hatte. Bis jetzt hatte Daniel einen Hintergrund aus rötlichen Farben und die hautfarbenen Töne für das Gesicht aufgetragen. Seine Lippen waren in blassem Rosa gefertigt. Und da Daniel immer alles so anspruchsvoll wie möglich machte, hatte er die Augen zuallererst fertig gemalt. Sie waren dunkel und tief und verwirrt, so wie ich sie immer in Erinnerung gehabt hatte.
    »Aber es ist noch nicht fertig«, sagte Daniel. »Nur die Augen sind bis jetzt gelungen.«
    »Ich weiß«, gab Barlow zurück. »Deswegen wirkt es ja so perfekt. Ihre Augen – Ihre Seele ist vorhanden, doch alles andere ist noch nicht ausgeprägt. Das ist die Schönheit eines Kindes. Die Augen spiegeln wider, was Sie bisdahin gesehen haben, doch der Rest ist noch für alles Mögliche offen, für alles, was noch aus Ihnen werden mag.«
    Daniel hielt den Pinsel in seinen langen Fingern fest. Er sah zu mir herüber. Wir wussten beide, was aus ihm geworden war.
    Ich wandte mich ab.
    »Vertrauen Sie mir«, sagte Barlow. Die Holzfaserplatte schabte über den Tisch. Anscheinend hatte er sie aufgehoben. »Das ist ein fantastischer Beitrag für Ihr Portfolio.«
    »Ja, Mr Barlow«, murmelte Daniel.
    »Bist du bald fertig?« Lynn Bishop stand mit einer Handvoll Buntstifte neben mir.
    »Ja, entschuldige«, erwiderte ich und machte ihr Platz. Mein Bleistift war immer noch stumpf.
    »Ich habe gehört, dass Pete dich zur Weihnachtsparty eingeladen hat«, sagte Lynn und schob einen rosafarbenen Stift in den Anspitzer.
    »Scheint sich wohl rumgesprochen zu haben.«
    Durch das scharfe Nagen des Anspitzers hindurch hörte ich, wie Daniel seinen Stuhl zurückschob.
    »In der Tat«, sagte sie in ihrem allwissenden Ich-hab-hier-echt-tolle-Neuigkeiten-Tonfall. »Interessant, dass er dich überhaupt noch fragt.«
    »Was soll das denn heißen? Pete ist schon seit Jahren mit meinem Bruder befreundet.«
    »Hmm.« Lynn zog ihren Stift aus dem Anspitzer und betrachtete die lange, scharfe und rosafarbene Spitze.»Das ist wohl die Erklärung, vermute ich, ein Akt der Barmherzigkeit für deinen Bruder. Pete versucht offensichtlich, dich ins Land der Lebenden zurückzubringen.«
    Ich hatte ohnehin schon schlechte Laune und brauchte nun wirklich nicht obendrein noch diesem Mist von der Gossip-Königin der Holy Trinity zuzuhören, doch das Klingelzeichen zur Mittagspause ertönte und hielt mich davon ab, ihr zu sagen, wohin sie sich ihren Buntstift stecken konnte.
    Ich beschränkte mich also auf ein: »Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten«, und ließ sie stehen.
    April nahm gerade ihren Rucksack in die Hand, als ich an meinen Platz zurückkehrte. »Glaubst du, dass es Königs Erläuterungen zu Whitman’s
Grashalme
gibt?«
    »Wohl kaum«, sagte ich und legte die Bleistifte in meinen Werkzeugbehälter.
    April stöhnte. »Jude will mich nach der Schule abhören, und ich hab behauptet, dass ich es schon gelesen hätte.« Sie rümpfte die Nase und stopfte das Buch in ihren Rucksack.
    »Oh je«, stichelte ich. »Du bist so was von aus dem Rennen. Vergiss die Weihnachtsparty. Jude kann Lügner nicht ausstehen.«
    »Oh nein. Glaubst du wirklich, dass er dann sauer auf mich ist?«, fragte sie, hielt aber plötzlich inne. »Moment mal, hast du gerade Weihnachtsparty gesagt?« Sie deutete mit dem Finger auf mich. »Hat er was zu dir gesagt? Er will mich einladen, stimmt’s? Hey, wollen wir nach der Schule shoppen gehen?«
    Ich musste lächeln und überlegte, ob ich mit April über Jude sprechen sollte. Sie hatte sich offenbar bis über beide Ohren in ihn verliebt, doch ich fragte mich, ob sein plötzliches Interesse an ihr nur dazu diente, ihn von etwas anderem abzulenken; zwar nicht von einer anderen Beziehung, aber in gewisser Weise von seinen eigenen Gefühlen.
    Vielleicht war es aber auch April, die sich ihn zunutze machte. Ganz sicher hatte sie ihre Schüchternheit ihm gegenüber genau in der Sekunde überwunden, als er verletzbar erschien. Allerdings wirkte Aprils Gesichtsausdruck völlig echt und erwartungsvoll.
    »Glaubst du nicht, dass du dich erst mal auf die Englischprüfung vorbereiten solltest, bevor du ans Shoppen denkst?«, fragte ich. »Deine Mutter hat dir doch Hausarrest angedroht, wenn du nicht bestehst.«
    »Ach, also mal ehrlich, wieso fängt sie ausgerechnet jetzt an, sich für mich zu interessieren?«
    »Hey, Grace«, sagte eine raue Stimme hinter mir.
    Aprils Augenbrauen schnellten in die Höhe.
    Ich wandte mich dem Ursprung der Stimme zu,

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