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Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition)

Titel: Urbat: Die dunkle GabeRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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wohl wissend, wem sie gehörte. Ich sah auf seinen marineblauen Sweater, dessen Ärmel er bis zu den Ellbogen hochgezogen hatte; ich sah auf seine khakifarbene Hose, den Papierbogen in seiner Hand, sein Haar, das mit jedem Tag heller zu werden schien – ich sah überall hin, nur nicht in sein Gesicht, nur nicht in seine Augen. Schließlich ließ ich meinen Blick auf seinen farbverschmierten Unterarmen ruhen.
    »Was willst du?«, fragte ich. Meine Stimme war lauter, als ich erwartet hatte.
    »Ich muss mit dir reden«, sagte Daniel.
    »Ich … ich kann nicht.« Ich legte meine Zeichnung auf meinen Werkzeugbehälter und schob alles unter meinen Tisch. »Komm, April. Lass uns gehen.«
    »Bitte, Grace.« Daniel streckte seine Hand nach mir aus.
    Ich wich zurück. Seine Hände erinnerten mich an die Dinge, die er meinem Bruder angetan hatte. Hatte er jetzt dasselbe mit mir vor, nachdem er wusste, dass ich seinen Vater angeschwärzt hatte? »Lass mich in Ruhe!« Ich griff hilfesuchend nach Aprils Arm.
    »Es ist wichtig«, sagte Daniel.
    Ich zögerte und ließ April los.
    »Bist du verrückt?«, flüsterte sie. »Du kannst nicht mit ihm sprechen. Die Leute reden schon.«
    Ich blickte sie an. »Reden worüber?«
    April starrte auf ihre Schuhe.
    »Hey, kommt ihr?« Pete war plötzlich an der Tür aufgetaucht. Jude stand neben ihm und grinste April an. »Wir müssen reservieren, wenn wir eine ruhige Ecke wollen.«
    »Wir kommen«, sagte April. Sie blickte mich scharf an und setzte dann ein breites Lächeln auf. »Hallo, Jungs«, fügte sie hinzu, als Jude ihr den Arm um die Hüfte legte.
    »Kommst du, Grace?« Genau wie Daniel zuvor streckte Pete seine Hand aus.
    Ich sah zu den dreien an der Tür hinüber. April machteeine unmissverständliche Bewegung mit dem Kopf. Jude sah mich an und blickte dann zu Daniel; sein Lächeln verblasste zu einem gespannten schmalen Strich. »Lass uns gehen, Gracie.«
    »Bitte bleib«, sagte Daniel hinter mir.
    Ich schaffte es nicht, ihn anzusehen. Das Einzige, worum Jude mich jemals gebeten hatte, war, mich von Daniel fernzuhalten. Dieses Versprechen hatte ich schon einmal gebrochen. Jetzt musste ich es einfach einhalten. Ich konnte nicht mit Daniel reden. Ich konnte nicht bei ihm bleiben.
    »Lass mich in Ruhe«, sagte ich. »Geh irgendwo anders hin. Du gehörst nicht hierher.«
    Ich ergriff Petes ausgestreckte Hand. Er verschränkte seine Finger in meine und zog mich an seine Seite.
    Seine Berührung ließ mich nicht im Entferntesten das spüren, was ich fühlte, wenn ich in Daniels Nähe war.
     
    Im Café
     
    Ich hatte sechs Bissen meines Veggie-Burgers gegessen, Pete war bei Lektion drei seines ›Fünf Möglichkeiten, wie Hockey die Welt verändern könnte‹-Vortrags, und April kreischte gerade vor Entzücken, weil Jude ihr einen Blaubeer-Muffin mitgebracht und sie gleichzeitig zur Weihnachtsparty eingeladen hatte, als es mir schlagartig klar wurde: Ich hatte Daniel gebeten, aus meinem Leben zu verschwinden. Ich ließ meinen Burger fallen und rannteauf die Toilette. Ich schaffte es gerade noch in eine Kabine, als mir auch schon Knoblauch und Zitronengras in der Kehle brannten.
    Als ich wieder aus der Kabine trat, stand Lynn Bishop am Waschbecken. Sie betrachtete ihr Spiegelbild; ihre Lippen waren geschürzt, ihre Augen weit aufgerissen.
    »Schlechter Veggie-Burger«, murmelte ich und hielt die Hände unter den Wasserhahn.
    »Was auch immer«, gab sie zurück, warf ihr Papierhandtuch in den Mülleimer und ging hinaus.

KAPITEL 20
Ängste
     
    Am Abend
     
    Nach dem Abendessen schloss ich mich in mein Zimmer ein. Die Büffelei für die zu wiederholende Chemieprüfung hatte in der letzten Woche die meiste Zeit aufgefressen, und noch immer war ich damit beschäftigt, den Stoff aus den anderen Unterrichtsstunden aufzuholen. Angesichts der drohenden Abschlussprüfungen war mir klar, dass ich in Schwierigkeiten steckte. Ich hatte versucht, mit April und Jude nach der Schule zu lernen, aber April war wegen Judes Einladung noch immer so aufgedreht, dass ich zu dem Schluss kam, es sei wohl besser, allein zu arbeiten. Doch nach ein paar Stunden Geschichte und Mathe und ein bisschen Shakespeare wanderte mein Blick von den Schulbüchern zur Schublade meines Schreibtischs.
    Ich holte den Schlüssel aus meiner Spieluhrdose und schloss die Schublade auf. Dann nahm ich das Buch aus dem Kästchen, machte es mir mit Decke und Kissen gemütlich und blätterte vorsichtig zur zweiten markierten Seite.
    Ein

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