Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
aber ich wusste genau, was vor sich ging. Katies Augen waren von Petes Blick gefangen, und seine krallenartigen Fingernägel strichen über ihren Nacken und hinterließen eine Reihe von blutenden Schnitten. Mit jedem Kratzen seiner Nägel stieß Katie ein Wimmern aus, das sich aber gleich in ein überspanntes Kichern verwandelte – anscheinend nutzte Pete seine psychische Energie, um ihr vorzugaukeln, dass sie das Gefühl mochte.
Schon von diesem Anblick drehte sich mir der Magen um, doch als Pete seine blutverschmierten Finger an die Lippen führte und sie wie Rührlöffel ableckte, kamen mir beinahe die Taquitos wieder hoch, die ich in Aprils Kühlschrank gefunden und zu Abend gegessen hatte.
Ich holte tief Luft, um mich nicht zu übergeben, stemmte meine Hände in die Hüften und stellte mich direkt neben Pete. »Das ist nicht fair!«, sagte ich mit quengelnd süßer Jungmädchenstimme. »Ich will auch mal.«
Petes Kopf drehte sich zu mir. Hinter den blutverschmierten Lippen fletschte er seine spitzen Zähne. Katies Kopf fiel schlaff nach vorn auf Petes Arme. »Verschwinde«, fauchte er.
»Meinetwegen.« Ich packte Katies schlaffen Körper und riss sie aus Petes Armen. »Wieso darf sie allein den ganzen Spaß haben?« Ich versicherte mich, dass Katie auf eigenen Füßen stehen konnte, und schob sie zur Seite. »Sieh zu, dass du wegkommst.«
Katie taumelte vorwärts und schwankte dann unsicher im Kreis herum, so als wäre sie betäubt – was angesichts ihres Zustands allerdings völlig normal war. Hoffentlich blieb sie erst mal eine Weile in diesem Modus, bis ich mit Pete fertig wäre.
»Der nächste Kuss gehört mir«, sagte ich und trat dicht an Pete heran.
»Wirklich?«, fragte Pete. Er sah mich von oben bis unten an, registrierte die hohen Stiefel, die Netzstrümpfe, die Hotpants, das Spitzenbustier, die mysteriöse Augenmaske und meine tough wirkende Lederjacke. Anerkennend nickte er. »Ja, wirklich.«
»Das will ich dir auch geraten haben.« Ich packte seinen Hemdkragen und zog ihn dicht zu mir heran, so als wollte ich ihn küssen. »Als ich zu dieser Party kam, hieß es, ich könnte eine Trance-Session erleben. Gib mir, was ich haben will.«
»Mit Vergnügen«, erwiderte er und umfasste mein Gesicht mit seinen Krallenhänden. »Ich hatte schon immer was übrig für temperamentvolle Mädchen.« Doch in dem Moment, als er mich hypnotisieren wollte, kniff ich die Augen zusammen und rammte ihm, so fest es ging, mein Knie in den Unterleib.
Petes Hände lösten sich von meinem Gesicht. Er stöhnte auf, beugte sich hustend vor und bewies damit, dass auch die Untoten spüren konnten, wo es am meisten wehtat.
Nicht lange konnte ich mich an diesem Anblick erfreuen, denn schon stürzte sich Pete mit seinen Krallen und entblößten Zähnen brüllend auf mich. »Dafür werde ich dich töten!«
Ich machte einen schnellen Schritt zur Seite, sodass Pete gegen die Werwolfpuppe krachte. Wütend riss er ihr eine Gliedmaße heraus und schleuderte sie auf den Boden.
»Ach, wirklich? Bist du dir sicher?«, fragte ich. »Weil ich nämlich ziemlich sicher bin, dass ich dich töten werde.«
»Wie bitte?«, fragte Pete. Seine Lippen schlossen sich über den Reißzähnen.
Ich zog den Pfahl aus der Innentasche meiner Jacke. »Allerdings. Genau das wird passieren.«
Pete heulte auf und stürzte sich auf mich. Ich parierte seinen Angriff und trat ihm in den Rücken. Er taumelte auf die Frankensteinfigur zu. Ich fühlte mich ziemlich gut, als ich merkte, dass ich ihn in die Enge getrieben hatte und bald mit ihm fertig sein würde. Doch dann tauchte plötzlich die benommene Katie Summers wieder auf und ließ sich direkt in Petes Arme fallen.
»Nein!«, schrie ich, als er ihren Nacken packte und seine scharfen Fingernägel um ihre Kehle legte. Sie versuchte nicht einmal zu schreien, doch ich konnte die Panik in ihren Augen sehen, während sie versuchte, sich aus ihrer Trance zu befreien.
Pete presste seine Hand weiter auf ihren Hals und stieß sie vorwärts. »Lass mich vorbei oder ich schlitze ihr die Kehle auf.«
Ich trat beiseite – was hätte ich sonst tun können – und sah zu, wie er Katie zum Ausgang der Lichtung zerrte. Er würde in den Wirren des Maisfelds entkommen. Als er sich unter dem Sensenmann hindurchducken wollte, hob ich den Pfahl und zielte auf seinen Rücken, doch dann blieb er stehen und drehte sich halbwegs zu mir um, sodass es unmöglich war, sein Herz zu treffen.
»Keine Sorge«, sagte er.
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