Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
erreicht hatten. »Ich war wirklich beeindruckt, wie du dich da draußen geschlagen hast«, sagte Daniel und öffnete die Beifahrertür für mich. »Du warst völlig im Gleichgewicht. Ich hatte nicht ein einziges Mal das Gefühl, dass du deine Kontrolle verlieren könntest.«
»Hm«, erwiderte ich, strich mit den Fingern über den Mondsteinanhänger und gab ihn Daniel zurück. »Weißt du, ich habe während des ganzen Kampfs die Stimme des Wolfs nicht einmal gehört.« Ich hatte sie nur ein einziges Mal gehört, als ich mich nicht entscheiden konnte, was ich von Talbots Friedensangebot halten sollte. Seit ich in der Krankenhauskapelle gebetet hatte, schien es immer einfacher, die Stimme des Wolfs fernzuhalten. Ich hörte sie immer weniger.
Daniel schloss die Beifahrertür und setzte sich ebenfalls in den Corolla.
»Was ist mit dir? Geht es dir gut?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht genau«, sagte er.
»Du warst wirklich unglaublich. Also ich meine, wirklich fantastisch unglaublich«, sagte ich und stupste ihm in die Seite. »Sogar mit einem verletzten Arm! Willst du immer noch kein Held sein? Na egal, es war echt klasse.«
»Ich fühle mich nicht wie ein Held.« Er packte das Lenkrad mit beiden Händen und fuhr vom Parkplatz. »Egal was passiert, ich komme mir immer noch wie ein Monster vor.«
»Du. Bist. Kein. Monster. Wir haben heute Abend viele Leben gerettet. Du hast sie gerettet. Für mich ist das die perfekte Definition eines Helden.«
»Aber wie habe ich sie gerettet?« Daniels Halsmuskeln verspannten sich. Ich konnte das Blut in seinen Adern pulsieren sehen. »Indem ich getötet habe. Ich hasse das. Obwohl ich mich in das verwandelt habe, was ich jetzt bin, bin ich trotzdem nur ein Hund des Todes. Denn genau das tue ich: Ich verteile die Karten des Todes.«
Ich lehnte mich zurück. Schweigend. Ich wusste nicht, was ich entgegnen sollte. Es schmerzte mich, dass er seine Worte mit so viel Verzweiflung und Verachtung gesagt hatte.
Während wir uns über die alte Landstraße von der Frightmare Farm entfernten, schaute ich aus dem Fenster. Ich hoffte, diesen Ort nie wieder sehen zu müssen. Als an der Kreuzung zur Hauptstraße eine rote Ampel aufleuchtete, hielt Daniel an. Er setzte den Blinker, um nach links abzubiegen. Ein Schild an der T-förmigen Kreuzung wies sowohl in die Richtung nach Rose Crest als in die entgegengesetzte nach Apple Valley und in die Innenstadt. Ich musste an meinen Dad im Krankenhaus denken. Ich war so mit Daniels Rückkehr und der Nachricht über den untoten Pete beschäftigt gewesen, dass ich nicht dazu gekommen war, ihn zu besuchen. Der Gedanke jedoch, ihn dort wieder in seinem Bett liegen zu sehen, war fast unerträglich …
Doch plötzlich kam mir eine Idee.
»Der Tod ist nicht das Einzige, was du zu geben hast. Ich werde es dir beweisen.« Ich deutete auf die Kreuzung. »Fahr nach rechts.«
»Weswegen?«
»Weil wir zum Krankenhaus fahren.«
Daniel blickte mich unverständig an, bog aber sofort nach rechts ab.
»Ich werde dir zeigen, was du wirklich tun kannst. Wer du wirklich bist.«
Es war an der Zeit. Ich mochte zwar einmal versagt haben, wusste aber, dass ich jetzt – Hand in Hand mit Daniel – tun konnte, was getan werden musste. Was unsere gemeinsame Bestimmung war.
KAPITEL 24
Gaben des Herzens
Im Krankenhaus, gegen halb drei m orgens
Ich holte die Klamotten, die wir bei April mit unserer Partyaufmachung vertauscht hatten, aus dem Kofferraum. Dann zogen wir uns – jeder für sich – auf dem Rücksitz um, während der andere draußen stand und wartete. Zu dieser Tageszeit an den Krankenschwestern auf der Intensivstation vorbeizukommen, würde ohnehin schon schwierig genug werden. Und dabei wie ein paar wild gewordene Gothic-Fans auszusehen, war sicher keine gute Idee. Außerdem wollte ich nicht, dass mein Vater – wenn mein Plan funktionierte – beim Anblick meines Party-Outfits einen Herzanfall bekam. Ich hatte ein für alle Mal genug von diesem Krankenhaus.
Allerdings war es ein größeres Problem, als ich gedacht hätte – sogar in meiner Brave-Mädchen-Aufmachung. Die Intensivstation erlaubte zwar nächtliche Besucher, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass ich noch minderjährig war und ohne eine erwachsene Begleitperson nach Anbruch der Dunkelheit keinen Zutritt hatte – wie mir die Schwester am Empfang erklärte.
»Aber er ist achtzehn«, sagte ich und zeigte auf Daniel. »Kann er mich nicht begleiten? Wir wollen hier ja nicht
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