Urbi et Orbi
Look hatten – einer sah aus wie der andere. Ceau º escu hatte damals die ganze Altstadt platt gemacht, um Raum für seine »grandiose« Stadtentwicklung zu schaffen. Irgendwie hatte er geglaubt, durch die reine Größe werde etwas Bedeutendes entstehen, und da spielte es keine Rolle, dass keiner die teuren und unpraktischen Gebäude wollte. Der Staat verkündete, dass das Volk dankbar zu sein habe, und inhaftierte die Undankbaren. Wenn sie Glück hatten, wurden sie vorher erschossen.
Ein halbes Jahr nach Ceau º escus Hinrichtung hatte sie das Land verlassen, nachdem sie an den ersten demokratischen Wahlen in der Geschichte des Landes teilgenommen hatte. Als lauter ehemalige Kommunisten gewählt wurden, begriff sie, wie wenig sich auf die Schnelle ändern würde, und nun stellte sie fest, wie richtig ihre Vorhersage damals gewesen war. Noch immer lag etwas Trauriges über Rumänien. Das hatte sie i n Z latna so gespürt und ebenso auf den Straßen von Bukarest. Es war wie eine Totenwache. Ein bisschen wie ihr eigenes Leben. Was war schon aus ihr geworden? In den letzten zwölf Jahren hatte sie kaum etwas erreicht. Ihr Vater hatte sie bedrängt, doch im Land zu bleiben und für die neue, angeblich freie rumänische Presse zu arbeiten, doch das ganze Spektakel war ihr einfach zu viel geworden. Während des Aufstands war sie voll dabei gewesen, doch danach empfand sie nur Überdruss. Sollten andere den rauen Beton glätten – sie selbst mischte lieber die Rohstoffe an. Sie verließ Rumänien, zog durch Europa, fand und verlor Colin Michener und machte sich dann auf den Weg nach Amerika und zu Tom Kealy.
Jetzt aber war sie zurückgekehrt.
Und ein Mann, den sie einmal geliebt hatte, lief ein Stockwerk über ihr im Zimmer herum.
Wie sollte sie eigentlich herauskriegen, was er hier tat? Was hatte Valendrea gesagt? Ich schlage vor, dass Sie einfach dieselben Reize einsetzen wie bei Tom Kealy. Dann wird Ihr Auftrag mit Sicherheit ein voller Erfolg.
Arschloch!
Aber vielleicht hatte er Recht. Der direkte Weg war wohl am vielversprechendsten. Sie kannte Micheners Schwächen natürlich und verübelte sich schon jetzt, dass sie sie ausnutzen würde.
Doch es blieb ihr kaum eine andere Wahl.
Sie stand auf und verließ ihr Zimmer.
17
Vatikanstadt, 17.30 Uhr
V alendreas letzter Termin lag für einen Freitagnachmittag recht früh. Dann wurde ein in der französischen Botschaft angesetztes Abendessen plötzlich abgesagt – irgendeine Krise in Paris hatte den Botschafter aufgehalten –, und so hatte er plötzlich einen seiner seltenen freien Abende.
Unmittelbar nach dem Mittagessen hatte er eine äußerst unangenehme Stunde mit Clemens verbracht. Eigentlich sollte er den Papst bei diesem Termin über auswärtige Angelegenheiten auf dem Laufenden halten, doch in Wirklichkeit hatten sie sich ununterbrochen gezankt. Ihre Beziehung verschlechterte sich rapide, und das Risiko einer öffentlichen Auseinandersetzung wurde von Tag zu Tag größer. Noch hatte Clemens ihn nicht zum Rücktritt aufgefordert, da der Papst sicherlich hoffte, dass er sein Amt unter Anführung spiritueller Bedenken von sich aus niederlegen würde.
Aber darauf konnte er lange warten.
Einer der Tagesordnungspunkte der heutigen Besprechung waren die Anweisungen gewesen, die der Papst ihm bezüglich des in zwei Wochen geplanten Besuchs des amerikanischen Staatssekretärs erteilte. Washington versuchte, den Papst zur Unterstützung seiner politischen Initiativen in Brasilien und Argentinien zu bewegen. Die Kirche war in Südamerika eine politische Kraft, und Valendrea hatte seine Bereitschaft signalisiert, den Einfluss des Vatikans zugunsten Washingtons geltend zu machen. Doch Clemens wollte eine Einmischung der Kirche vermeiden. In dieser Beziehung war er ganz anders als Johannes Paul II. Der Pole hatte zwar in der Öffentlichkei t d ieselbe Haltung vertreten, persönlich aber das Gegenteil getan. Mit diesem Ablenkungsmanöver, so hatte Valendrea oft gedacht, hatte er Moskau und Warschau erst in Sicherheit gewiegt, dann aber den Kommunismus in die Knie gezwungen. Der Kardinalstaatssekretär hatte mit eigenen Augen gesehen, was das moralische und spirituelle Oberhaupt einer Milliarde Katholiken gegen – oder für – eine Regierung bewirken konnte. Was für eine Schande, ein solches Potenzial ungenutzt zu lassen, doch Clemens hatte einen Schulterschluss zwischen den Vereinigten Staaten und dem Heiligen Stuhl verboten. Die Argentinier und Brasilianer
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