Urbi et Orbi
Letzte, was Clemens brauchte, war eine Reporterin, die über alles Bescheid wusste. Außerdem, wer hatte ihr eigentlich verraten, dass er Rom verlassen hatte?
»Das mit unserer Begegnung neulich auf dem Platz tut mir Leid. Ich hätte das nicht sagen sollen.«
»Du bist also bis nach Rumänien gereist, um dich zu entschuldigen?«
»Wir müssen miteinander reden, Colin.«
»Jetzt ist nicht die richtige Zeit. «
»Man sagte mir, du hättest Urlaub. Das ist doch ein guter Zeitpunkt. «
Er bat sie herein und machte die Tür hinter ihr zu. Die Welt war geschrumpft, seit sie zum letzten Mal allein zusammen gewesen waren. Dann kam ihm ein beunruhigender Gedanke. Wenn Katerina so viel über ihn wusste, was musste dann Valendrea erst wissen? Er musste Clemens anrufen und ihn über die undichte Stelle im Papsthaushalt informieren. Doch dann fiel ihm wieder ein, was Clemens gestern in Turin über Valendrea gesagt hatte – er weiß alles, was wir tun, alles, was wir sagen –, und da wurde ihm klar, dass der Papst schon Bescheid wusste.
»Colin, wir brauchen nicht so feindselig miteinander umzugehen. Ich verstehe inzwischen viel besser, was vor all diesen Jahren passiert ist. Ich bin sogar bereit zuzugeben, dass ich mich damals manchmal danebenbenommen habe.«
»Das ist mal was Neues.«
Sie reagierte nicht auf den Tadel. »Du hast mir gefehlt. Das ist der eigentliche Grund, aus dem ich nach Rom kam. Um dich zu sehen.«
»Und Tom Kealy?«
»Ich hatte ein Verhältnis mit Tom Kealy.« Sie zögerte . » Aber er ist nicht du.« Sie trat näher. »Ich schäme mich nicht, dass ich mit ihm zusammen war. Tom hat einer Journalistin i n s einer Lage viel zu bieten, weißt du. Da lässt sich viel draus machen.« Sie hielt seinen Blick fest, wie nur sie es konnte . » Aber ich muss etwas wissen. Warum warst du beim Tribunal? Tom sagte mir, dass der Privatsekretär des Papstes sich normalerweise nicht mit so was abgibt.«
»Ich wusste, dass du da sein würdest.«
»Hast du dich gefreut, mich zu sehen?«
Er wägte seine Antwort ab und entschied sich schließlich für: »Du sahst nicht so aus, als ob du dich freutest, mich zu sehen.«
»Ich habe einfach nur versucht, deine Reaktion einzuschätzen. «
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du selbst überhaupt nicht reagiert.«
Sie trat von ihm weg und zum Fenster. »Das mit uns beiden war damals etwas ganz Besonderes, Colin. Es ist sinnlos, das abzustreiten.«
»Es bringt auch nichts, es wiederaufzuwärmen.«
»Das wäre das Letzte, was ich will. Wir sind beide älter geworden. Und hoffentlich klüger. Können wir nicht einfach Freunde sein?«
Er war im päpstlichen Auftrag in Rumänien unterwegs. Und war jetzt in eine äußert emotionale Diskussion mit einer Frau verwickelt, die er einmal geliebt hatte. Hatte der Herr beschlossen, ihn erneut zu prüfen? Er konnte nicht bestreiten, dass es tiefe Gefühle in ihm weckte, einfach nur in ihrer Nähe zu sein. Sie hatten ja tatsächlich etwas ganz Besonderes miteinander geteilt. Sie hatte ihm zur Seite gestanden, als er sich mit seiner schmerzlichen Herkunft auseinander setzte. Als er sich fragte, was wohl aus seiner Mutter geworden war und warum sein leiblicher Vater ihn im Stich gelassen hatte. Mit Katerinas Hilfe hatte er viele dieser Dämonen gebannt. Doc h i nzwischen hatte er neue Probleme. Vielleicht war es an der Zeit, Frieden mit seinem Gewissen zu schließen. Das konnte bestimmt nicht schaden.
»Das fände ich schön.«
Sie trug eine eng anliegende schwarze Hose, die ihre schlanken Beine betonte. Dazu passend ein Jackett mit Fischgrätmuster. Eine schwarze Lederweste verlieh ihr den Look der Revolutionärin, als die er sie kannte. Keine verträumt schimmernden Augen. Sie stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Vielleicht zu sehr. Doch tief in ihrem Inneren gab es echte Gefühle, und die hatten ihm gefehlt.
Einen Moment lang fühlte er sich seltsam erregt.
Ihm fiel die Zeit vor vielen Jahren ein, als er sich in die Alpen zurückgezogen hatte, um einmal in Ruhe nachdenken zu können. Damals hatte sie auch so vor seiner Tür gestanden und ihn nur noch mehr verwirrt.
»Was hast du in Zlatna gemacht?«, fragte sie. »Man erzählte mir, dieses Waisenhaus sei eine traurige Einrichtung. Und dass ein Priester sie leitet. «
»Du warst da?«
Sie nickte. »Ich bin dir gefolgt.«
Wieder eine irritierende Neuigkeit, doch er ging nicht darauf ein. »Ich habe mich mit diesem Priester unterhalten.«
»Kannst du mir erzählen,
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