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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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, dass er die Riserva betrat. Damals hatten nur ein paar Glühlampen den fensterlosen Raum erhellt, heute war er in Leuchtstofflicht getaucht. Dieselbe hölzerne Schatulle stand in derselben Schublade. Ihr Deckel war geöffnet, und es waren noch Reste des Wachssiegels zu erkennen, das er nach der letzten Öffnung ersetzt hatte.
    »Man hat mir berichtet, dass Sie damals mit Paul hier waren«, bemerkte Clemens. Er zeigte auf die Schatulle. »Sie waren da, als er das Siegel erbrach. Sagen Sie mir, Alberto, war er geschockt? Hat der alte Trottel aufgeheult, als er die Worte der Jungfrau las?«
    Valendrea gönnte es Clemens nicht, die Wahrheit zu erfahren. »Paul war mehr Papst, als Sie es jemals sein könnten.«
    »Er war ein starrsinniger, unbeugsamer Mann. Er hatte die Chance, etwas zu bewegen, aber er ließ sich von seinem Stolz und seiner Arroganz leiten.« Clemens nahm ein Dokument in die Hand, das aufgefaltet neben der Schatulle lag. »Er hat das hier gelesen, aber er hielt sich für wichtiger als Gott.«
    »Es war drei Monate vor seinem Tod. Was hätte er tun können?«
    »Er hätte alles tun können, was die Jungfrau verlangt hat. «
    »Was denn, Jakob? Was ist denn so wichtig? Das dritte Geheimnis von Fatima verlangt nur von uns, dass wir glauben und Buße tun. Wozu hätte es Paul veranlassen sollen?«
    Clemens stand ihm noch immer hoch aufgerichtet gegenüber. »Sie sind ein großartiger Lügner.«
    In Valendrea schoss die Wut hoch, doch er unterdrückte sie schnell. »Sind Sie verrückt geworden?«
    Der Papst trat einen Schritt auf ihn zu. »Ich weiß über Ihren zweiten Besuch in diesem Raum Bescheid.«
    Der Staatssekretär schwieg.
    »Die Archivare führen genau Buch. Seit Jahrhunderten halten sie fest, wer wann diesen Raum betreten hat. Am 19. Mai 1978 waren Sie nachts in Pauls Begleitung hier. Eine Stunde später kehrten Sie noch einmal hierher zurück. Allein.«
    »Ich war im Auftrag des Heiligen Vaters hier. Er hat es mir befohlen.«
    »Daran hege ich keinerlei Zweifel, wenn ich bedenke, was damals in der Schatulle lag.«
    »Er hat mich losgeschickt, um die Schatulle und die Schublade wieder zu versiegeln.«
    »Aber vor dem Versiegeln haben Sie den Inhalt herausgenommen und gelesen. Wer könnte Ihnen deswegen einen Vorwurf machen? Sie waren ein junger Priester im Haushalt des Papstes. Ihr hochverehrter Papst hatte gerade die Worte einer Marienseherin gelesen, und diese hatten ihn garantiert aus der Fassung gebracht.«
    »Das wissen Sie doch gar nicht.«
    »Andernfalls war er dümmer, als ich denke.« Clemens ’ Blick wurde scharf. »Sie haben den Text gelesen und dann einen Teil davon weggenommen. Früher lagen nämlich vier Seiten in dieser Schatulle. Zwei hatte Schwester Lucia geschrieben, als sie das dritte Geheimnis 1944 schriftlich festhielt. Und zwei stammten von Hochwürden Tibor, der den Text 1960 übersetzte. Doch nachdem Paul die Schatulle geöffnet und wieder versiegelt hatte, wurde sie erst 1981 erneut geöffnet, und zwar von Johannes Paul II . der damals das Geheimnis zum ersten Mal las. Das geschah in Gegenwart mehrerer Kardinäle. Deren Zeugnis bestätigt, dass Pauls Siegel ungeöffnet war. Ebenso bestätigen die Zeugen, dass in der Schatulle nur zwei Blatt Papier lagen. Das eine war Schwester Lucias Original, das andere Hochwürden Tibors Übersetzung. Als Johannes Paul im Jahr 2000 endlich den Text des dritten Geheimnisses veröffentlichte, lagen immer noch nu r d iese zwei Blatt Papier in der Schatulle. Wie erklären Sie das, Alberto? Wo sind die anderen beiden Seiten, die 1978 noch hier waren?«
    »Sie wissen gar nichts.«
    »Leider doch. Es gibt da nämlich etwas, was Sie nicht wussten. Der Übersetzer, Hochwürden Andrej Tibor, kopierte das komplette zweiseitige Geheimnis auf einen Schreibblock und fertigte dann eine zweiseitige Übersetzung an. Diese übergab er dem Papst, doch später fiel ihm auf, dass er auf seinem Schreibblock noch einen Abdruck des Textes besaß. Genau wie ich hatte er die ärgerliche Gewohnheit, beim Schreiben zu fest zu drücken. Er nahm einen Bleistift, schraffierte den Text, damit die Worte sich deutlicher abzeichneten, und übertrug ihn dann auf zwei Seiten. Auf der einen stand der ursprüngliche Text Schwester Lucias, auf der anderen seine Übersetzung.« Clemens hob die Hand mit dem Blatt. »Eine dieser Kopien habe ich hier. Hochwürden Tibor hat sie mir kürzlich geschickt.«
    Valendrea verzog keine Miene. »Kann ich sie bitte sehen?«
    Clemens

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