Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
Vom Netzwerk:
sollen, Colin. Es war dieser Moment seiner Unentschlossenheit, dieses sichtbare Erschrecken. Erst da wurden wir richtig aktiv. Wir durchbrachen die Polizeiabsperrung und … dann führte kein Weg mehr zurück.« Ihre Stimme wurde leiser. »Irgendwann kamen die Panzer, dann die Wasserwerfer und schließlich die Gewehrsalven. In jener Nacht habe ich viele Freunde verloren.«
    Er stand da, die Hände in den Manteltaschen vergraben, ein Atemwölkchen vor dem Mund, und ließ ihr Zeit sich zu erinnern. Er wusste, dass sie stolz war auf ihr Mitwirken bei dem Aufstand. Er war auch stolz auf sie.
    »Es ist gut, dass du wieder bei mir bist«, sagte er.
    Sie wandte sich ihm zu. »Du hast mir gefehlt, Colin.«
    Er hatte einmal gelesen, dass es in jedem Leben mindestens einen Menschen gibt, der einen so tief und nachhaltig berührt, dass man sich in Zeiten der Not daran erinnern und so verlässlich Trost finden kann. Für ihn war dieser Mensch Katerina. Und es beunruhigte ihn, dass weder die Kirche noch Gott ihm ähnliche Gefühle vermitteln konnten.
    Sie rückte ein wenig näher. »Was Hochwürden Tibor da gesagt hat, dass der Papst der Aufforderung der Madonna nachkommen soll. Was hat er damit gemeint?«
    »Wenn ich das nur wüsste.«
    »Du könntest es in Erfahrung bringen.«
    Er wusste, was sie meinte, und zog den Umschlag mit Tibors Antwort aus der Manteltasche. »Ich kann ihn nicht öffnen. Das weißt du doch.«
    »Warum denn nicht? Wir können den Brief einfach in einen anderen Umschlag stecken. Clemens würde es gar nicht merken.«
    Doch Michener reichte der Verrat, den er begangen hatte, als er am Nachmittag Clemens ’ Brief gelesen hatte. »Aber ich würde es wissen. « Er wusste, wie hohl das klang, steckte den Umschlag aber trotzdem wieder ein.
    »Clemens hat sich einen treuen Diener herangezogen«, merkte Katerina an. »Das muss man dem alten Knaben lassen.«
    »Er ist mein Papst. Ich schulde ihm Respekt.«
    Ihre Lippen und Wangen verzogen sich. Diesen Gesichtsausdruck kannte er. »Wirst du dein Leben im Dienst von Päpsten verbringen? Und was ist mit dir selbst, Colin Michener?«
    In den letzten Jahren hatte er sich diese Frage selbst oft genug gestellt. Was war mit ihm selbst? Würde das Birett der Höhepunkt seines Lebens sein? Würde er sich damit begnügen, sich im Glanz der purpurroten Robe zu sonnen? Männer wie Hochwürden Tibor zeigten, wie ein Priester wirklich leben sollte. Es war ihm, als spürte er wieder die sanften Berührungen der Kinder und atmete den Gestank ihrer Verzweiflung ein.
    Schuldgefühle stiegen in ihm hoch.
    »Du solltest wissen, Colin, dass ich mit niemandem über diese Angelegenheit sprechen werde.«
    »Tom Kealy eingeschlossen?« Diese Frage war heraus, bevor er sich auf die Lippen beißen konnte.
    »Eifersüchtig?«
    »Sollte ich das sein?«
    »Ich muss wohl eine Schwäche für Priester haben.«
    »Ich würde nicht zu sehr auf Tom Kealy bauen. Mir scheint, dass er zu der Sorte gehört, die gleich bei den ersten Schüssen Reißaus nimmt. « Er sah, dass ihre Züge sich verhärteten . » Ganz anders als du.«
    Sie lächelte. »Ich stand mit hundert anderen vor einem Panzer. «
    »Bei dieser Vorstellung wird mir flau. Ich fände es schrecklich, wenn du verletzt würdest. «
    Sie warf ihm einen neugierigen Blick zu. »Noch mehr, als ich es ohnehin schon bin?«
     
    K aterina ließ Michener allein in seinem Zimmer zurück und stieg die knarrende Treppe hinunter. Sie sagte, sie könnten morgen beim Frühstück vor seinem Rückflug nach Rom noch miteinander reden. Er war nicht überrascht gewesen, als er erfuhr, dass sie im Zimmer unter ihm wohnte. Sie hatte ihm verschwiegen, dass auch sie am nächsten Tag mit einem späteren Flug nach Rom zurückfliegen würde. Stattdessen hatte sie gesagt, sie wisse noch nicht, wohin sie wolle.
    Allmählich bedauerte sie, dass sie sich auf Alberto Valendreas Angebot eingelassen hatte. Was als aussichtsreicher Karriereschritt begonnen hatte, war nun zum Betrug an einem Mann geworden, den sie noch immer liebte. Sie empfand es als schrecklich, Michener zu belügen. Ihr Vater würde sich schämen, wenn er wüsste, was sie so trieb. Auch dieser Gedanke bereitete ihr Probleme, denn sie hatte ihre Eltern in den vergangenen Jahren schon genug enttäuscht.
    Sie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und trat ein.
    Das Erste, was sie sah, war das Lächeln von Hochwürden Paolo Ambrosi. Sie erschrak, hatte sich aber schnell wiede r u nter Kontrolle. Diesem Mann zeigte

Weitere Kostenlose Bücher