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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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lächelte. »Wenn Sie möchten.«
    Valendrea nahm die Seite entgegen. Er befürchtete das Schlimmste, und sein Magen krampfte sich zusammen. Es war dieselbe eindeutig weibliche Handschrift, die er in Erinnerung hatte, ungefähr zehn Zeilen. Das Portugiesisch konnte er immer noch nicht lesen.
    »Portugiesisch war Schwester Lucias Muttersprache«, bemerkte Clemens. »Ich habe Stil, Format und die Buchstaben von Hochwürden Tibors Reproduktion mit dem ersten Teil des dritten Geheimnisses verglichen, den Sie ja netterweise in der Schatulle zurückgelassen hatten. Sie stimmen in jeder Hinsicht überein.«
    »Gibt es eine Übersetzung?«, fragte Valendrea. Er ließ sich seine Erregung nicht anmerken.
    »Gewiss, und Tibor hat seine Kopie davon gleich mitgeschickt.« Clemens zeigte auf das Kästchen. »Aber sie liegt in der Schatulle. Wo sie hingehört.«
    »Im Jahr 2000 wurden Fotografien der Originalschrift Schwester Lucias veröffentlicht. Dieser Tibor könnte einfach deren Stil nachgeahmt haben.« Er hob die Seite hoch, die er in der Hand hielt. »Das hier könnte eine Fälschung sein.«
    »Wieso wusste ich nur, dass Sie das sagen würden? Es könnte sein, aber es ist nicht so. Und das wissen wir beide.«
    »Deshalb sind Sie also immer wieder hierher gekommen?«, fragte Valendrea.
    »Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?«
    »Sie hätte das Ganze vergessen sollen.«
    Clemens schüttelte den Kopf. »Das ist vollkommen ausgeschlossen. Hochwürden Tibor hatte der Reproduktion eine ganz schlichte Frage beigelegt: › Warum lügt die Kirche? ‹ Sie kennen die Antwort. Die Kirche hat nicht gelogen. Als Johannes Paul II. den Text des dritten Geheimnisses veröffentlichte, wusste keiner außer Hochwürden Tibor und Ihnen, dass das nicht die ganze Botschaft war. «
    Valendrea trat zurück, steckte eine Hand in die Hosentasche und zog ein Feuerzeug hervor. Er steckte das Dokument an und warf das brennende Blatt auf den Boden.
    Clemens tat nichts, um ihn aufzuhalten.
    Valendrea trat die glimmende Asche aus, als hätte er gerade eine Schlacht mit dem Teufel geschlagen. Dann heftete sich sein Blick auf Clemens. »Geben Sie mir diese verdammte Übersetzung.«
    »Nein, Alberto. Die bleibt in der Schatulle.«
    Er wollte den alten Mann beiseite stoßen und tun, was zu tun war. Doch in diesem Moment tauchte der Nachtpräfekt im Eingang der Riserva auf.
    »Schließen Sie dieses Schließfach zu«, forderte Clemens den Aufseher auf, und der Mann führte die Anweisung eilig aus.
    Der Papst ergriff Valendrea beim Arm und führte ihn aus der Riserva. Dieser hätte sich gerne freigemacht, doch da der Präfekt zugegen war, durfte er nicht unehrerbietig sein. Sobald sie draußen zwischen den Regalen waren und nicht mehr im Blickfeld des Präfekten, entzog er sich Clemens ’ Griff.
    »Ich wollte, dass Sie wissen, was Sie erwartet«, sagte der Papst.
    Etwas beunruhigte Valendrea. »Warum haben Sie mich nicht daran gehindert, das Dokument zu verbrennen?«
    »Es war die perfekte Lösung, nicht wahr, Alberto? Einfach die beiden Seiten aus der Riserva zu entfernen? Keiner würde irgendetwas davon mitbekommen. Paul lag im Sterben und würde bald in der Krypta ruhen. Schwester Lucia durfte mit niemandem reden und starb schließlich auch. Sonst wusste keiner, was sich in der Schatulle befand, außer vielleicht einem unbekannten bulgarischen Übersetzer. Doch 1978 war schon so viel Zeit verstrichen, dass dieser Übersetzer in Ihren Augen kein Problem mehr darstellte. Außer Ihnen würde niemand wissen, dass es diese zwei Seiten jemals gegeben hatte. Sollte aber doch jemand etwas mitbekommen, passiert es einfach immer mal wieder, dass Dinge aus dem Archiv verschwinden. Falls aber der Übersetzer auftauchen sollte, hätte er ohne die eigentlichen Texte keinerlei Beweis. Nur Gerede. Gerüchte.«
    Valendrea hatte nicht vor, darauf zu antworten. Doch er wollte nach wie vor etwas wissen: »Warum haben Sie mich nicht daran gehindert, das Dokument zu verbrennen?«
    Der Papst zögerte einen Moment lang und sagte dann : » Das werden Sie schon sehen, Alberto.«
    Hinter ihnen schlug der Präfekt krachend die Tür der Riserva ins Schloss, und Clemens schlurfte davon.

22
    Bukarest
Samstag, 11. November
6.00 Uhr
     
    K aterina hatte schlecht geschlafen. Ihr Hals tat weh, weil Ambrosi sie gewürgt hatte, und sie war stocksauer auf Valendrea. Ihr erster Gedanke war, dem Kardinalstaatssekretär klar zu machen, dass ihre Zusammenarbeit beendet war, und anschließend

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