Urgum der Barbar
Bett neben ihre Tochter. Molly musste es ja eines Tages erfahren, also nahm sie an, es könnte genauso gut heute sein.
Sie fing damit an, dass sie erklärte, was einer der besten Teile davon gewesen war, dass sie Urgum geheiratet hatte: die pure Freude, all die eingebildeten, nutzlosen, sinnlosen, auftrumpfenden Weichlinge wie Herrn Perkins zu schockieren, die für ihre Versammlungen lebten, von Sklavenarbeit verwöhnt wurden, im Schlaf starben und unter Statuen begraben wurden, die aussahen wie sie selbst und die von den Steuern armer Leute bezahlt wurden. Bei der eigentlichen Trauungszeremonie hatte Urgum sich in punkto Schockwert selbst übertroffen. Aber wie Molly herausfinden sollte, hatte sich Divina in punkto Schockwert ebenfalls selbst übertroffen.
Die Hochzeit fand in einem riesigen Bankettzelt statt, das inmitten der Wassergärten des Palastes aufgestellt war. Etwa dreihundert der »besonders engen« Freunde von Divinas Familie waren zu der Zeremonie geladen, aber Urgum war ganz alleine gekommen. Es hatte ein bisschen Gerede darüber gegeben, ob er wohl seinen ältesten und besten Freund mitbringen sollte, den Ungoid Mungoid, aber das Planungskomitee vonseiten der Braut, geleitet von Gastan, hatte mit Bedauern entschieden, dass ein zusätzlicher Barbar zu viel Gedränge verursachen würde und so ein öffentliches Gesundheitsrisiko bestünde. Urgum hatte keinen Einspruch erhoben, weil er Angst hatte, seine Braut zu verlieren, aber Divina war an seiner Stelle fuchsteufelswild gewesen. Sie hatte nur deshalb nichts gesagt, weil sie befürchtete, damit alles zu verzögern: alles, was in ihren Augen zählte, war, dass die Zeremonie lange genug dauerte, damit Urgum vor dem Gesetz ihr Mann wurde und sie damit für alle Zeiten befreit wurde von diesem muttersöhnchenhaften Weichlingsein.
Die Zeremonie wurde von einer Matramama geleitet, einem freundlichen weiblichen Beamten, der die grünen und goldenen Gewänder des Palastes trug. Sie hatte den Vorsitz über alle Arten von Hochzeiten und zuckte mit keiner Wimper, als sie sah, dass dieses tadellos frisierte Mädchen mit einem hünenhaften, großen, verschwitzten Barbaren verlobt war. Aber warum sollte sie auch? Wie das bei Hochzeiten eben so ist, war die ganze Sache eigentlich sehr geradlinig - zwei Leute waren darin verwickelt und keiner von beiden durfte tot sein oder gezwungen werden, seinen Eid abzulegen, indem man ihm eine Schwertspitze an den Hals hielt.
Die Sache lief glatt und die Matramama wollte gerade zu dem äußerst empfindsamen Moment kommen, in dem sie dem Paar erklärte: »Ihr dürft nun den Atem austauschen.« Zu diesem Zeitpunkt würden Braut und Bräutigam ihre Nasen ganz nah zueinanderführen und dann abwechselnd ganz tief ausatmen, während der andere ganz tief einatmet. Das war nichts für ältere Leute, aber für junge Leute, die noch ganz frisch verknallt waren, war das eine sehr aufregende und bedeutungsvolle Geste. Manche konnte man beobachten, wie sie stundenlang im Gesicht des anderen schnüffelten und schnauften.
Wie dem auch sei, die lächelnde Matramama war gerade drauf und dran, die nötigen Worte zu sprechen, als der Zufall es wollte, dass ein riesiges, wildes Einhorn in das Festzelt preschte.
(Genau genommen hatte der Zufall gar nichts damit zu tun. Die barbarischen Götter hatten es nicht gut gefunden, dass ihr Champion sich so nahtlos dem Weichling-Ritual fügte, also hatten sie es arrangiert, dass eine kleine Überraschung die Vorgänge ein bisschen in die Gänge brachte.)
Das Einhorn hatte die schönste Zeit seines Lebens, lief Amok, warf die überladene Festtafel um, zerbrach Geschirr und verpestete die Luft mit seinem lungenzerfetzenden Gestank. Sein Horn war lang wie ein Schlachtspieß und die Poren um die gedrehte Spitze herum troffen vor giftiger grüner Säure. Es war also nicht weiter verwunderlich, dass die Weichlinge schreiend herumliefen. Sie kauerten unter Tischen und in Ecken und nahmen ganz selbstverständlich an, dass Urgum, der einzige Wilde weit und breit, sich verpflichtet fühlen würde, sie zu retten, weil sie doch immerhin kostbare Weichlinge waren und er nicht. Die Tatsache, dass er allein und unbewaffnet war (Divinas Eltern hatten hochnäsig verboten, dass Urgum seine Axt zur Hochzeit mitbrachte) und vermutlich unter den Hufen zerschmettert, vom Horn aufgespießt und von der Säure verflüssigt werden würde, machte ihnen nicht die leiseste Sorge. Alles, was zählte, war, dass sich jemand um das
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