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Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition)

Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition)

Titel: Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nizon , Wend Kässens
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Kenntnis der Dinge, woher nimmt sie sie nur. Ich kenne Vergleichbares nur bei Koestler? nein, Orwell? Truman Capote (Stories und Porträts).
    Das Bindeglied zu mir ist die verehrte Größe ALLTAG. Und die Non-Fiction, die aber kraft der Sprache ins Legendäre oder mehr: Dichtung? schillert und überwechselt. So nah am Äußeren und Äußersten, daß es in Wahrheit (?) explodiert und dennoch lebensrätselhaft bleibt. Irgendwo ist im Programm etwas Verwandtschaftliches.

    25. Dezember 2008, Weihnachten, Paris
     
    Auf der neuen Musikanlage, Geburtstagsgeschenk von Igor und Odile, spielt Albéniz. Gestern den Heiligen Abend bei Malika verbracht zusammen mit Derivière, Igor, Odile und Verwandten von Malika und Peter Wagner. Gigantische Tafelgänge und entfesselte Gespräche und Kommunitäten, der Rahmen sehr eindrücklich, viel Alkohol. Davor endlich Norbert Tadeusz’ Replik auf meinen Text, die ihm abgenommene Lebendmaske, wie ich es nennen darf. Er ist beglückt von dem Text, ich habe lange daran gearbeitet und schrieb Gmyrek, dem Kunsthändler, der den Text in Auftrag gab und lange nicht reagierte, es handle sich um einen Nizon-Originaltext, der mit einer entsprechenden Sprachklaue verfertigt und mit neuen, teils riskanten Einsichten in das Werk gespickt sei und nicht um einen Sack Kartoffeln und ein Pfund Speck, die man nach Erhalt wortlos wegsteckt, er habe gefälligst zu reagieren, zumal ein solcher Text sich von den eher bemühten Elaboraten der sogenannten Kunstsachverständigen unterscheide. Ich war wütend, jetzt bin ich von Tadeusz’ Reaktion doch beglückt. Interessant der Umstand, mit derlei Kunstschriftstellerei an das alte Metier anzuknüpfen, damit an die frühe Zeit. Bevor ich wieder ins Romanschreiben einschwenke. Zuvor noch den Text über Laissue. Geldarbeiten. Werde in Zürich Baviera einen Band »Texte über Kunst« (mit Goya, Kuhn, Moehsnang, Falk, ev. Varlin, ev. Stellen aus der Dissertation über van Gogh und einigen »Künstleradressen«) vorschlagen gegen ein gesalzenes Honorar. Wofür ein Sponsor zu finden wäre, ein geneigter Geldgeber. Mal sehen. Woher der Wunsch oder Mumm auf einmal, zu Geld kommen zu wollen?

    27. Dezember 2008, Paris
     
    Die römischen Kaiser waren, wie ich bei Jacob Burckhardt ( Die Zeit Constantins des Großen ) lese, erstaunlicherweise häufig Barbaren, sowohl ehemalige Sklaven wie Soldaten, fern von römischer Kultur und Herkunft, Haudegen oder Ränkeschmiede, von den Legionen erkoren bzw. aufgezwungen, weil zwischendurch der Senat entmachtet war, dies nach den großen Kaisern wie Mark Aurel oder Hadrian, das riesige Reich scherbelte an allen Ecken der entfernten Provinzen. Auch die Legionäre waren zu großen Teilen Barbaren. Ich mußte an Sarkozy denken. Eines Tages wird er an Frankreich Feuer legen. Wie Nero. Wenn nur die Opposition Persönlichkeiten von Format und Entschlußkraft, geniale Widersacher hervorbringen könnte. Kluge harte Burschen, Widerständler.

2009
     

    2. Februar 2009, Paris
     
    Montag und Schnee vor dem Haus. Samstag spät von Rom zurückgekehrt – eine Woche zusammen mit Skwara im Schweizer Institut logiert (und viel ausgegangen und eingekehrt). Zuletzt auf der großen Terrasse meines großen (Staats-)Zimmers zu einem Abschiedstrunk gesessen mit Blick auf die lagernden Leiber der Ewigen Stadt und die Kuppeln, das ockerfarbige Lagern der Leiber mit den gebärdenreichen Bäumen und Pflanzen – das Institut bietet den höchsten Blick über Rom. Ich schaute auf, weil mir die hellen, wie Grüße klingenden Vogellaute unvertraut vorkamen, und sah die vielen Dohlen über mir kreisen, die Lieblingsvögel, natürlich bezog ich sie auf mich, es war ja ein unverhofftes kleines Wunder. Ja, wir logierten beide in der Villa Maraini auf der Direktorenetage, wir frühstückten beide in der altvertrauten Bar Via Ludovisi wie vor fünfzig Jahren (damals zusammen mit Massimo Cavalli), wir fuhren jeden Tag mit dem kleinen Bus 116 in alle Richtungen der Stadt, am ersten Tag ins Centro storico, Piazza Colonna, Pantheon, Piazza Navona, Campo de’ Fiori etc.; einmal zur Engelsburg und zum Vatikan, einmal auf den Monte Gianicolo und Trastevere etc., natürlich auch auf die Piazza del Popolo usf. Und aßen und tranken in vielen Trattorien, und manchmal waren die holprigen Pflasterstraßen so eng, daß man im Stein unterging und ersoff, und ich merkte, daß die Stadt für den Alten, der ich geworden bin, beschwerlich zu werden beginnt. Und Skwara mit seiner

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