Urkundenfälschung: Journal 2000-2010 (German Edition)
Unordentlichkeit. Sie sehen erschöpft aus, dachte ich. Ich dachte an das alles, und ich glaubte, mich diesmal und von nun an nicht mehr aufraffen zu können. Ich kann nicht weiter, ich kann nicht mehr weitermachen. Mein Herz
Ich komme auf diesen Einfall, das heißt, der Einfall kam zu mir beim Nachhauselaufen, nach dem Besuch der Ausstellung im Musée d’art moderne »L’école de Paris«. Eine wunderbare Ausstellung. Eigentlich geht es um Emigrantendinge, Emigrantenangelegenheiten, Emigrantenkunst, insbesondere solche von jüdischen Künstlern wie Modigliani, Soutine, Kisling, Pascin, Chagall und vielen anderen, die hier in Montparnasse um den Ersten Weltkrieg herum gestrandet waren und in einer lockeren Koexistenz von Montparnassiens ergo Bohemiens die Cafés bevölkerten und dem Jazz frönten und in irgendwelchen hundsärmlichen Unterkünften malten und bildhauerten und die neue Kunst kreierten. Viele waren Hungerkünstler und fast alle Caféhauspoeten, und sie lebten von der Hand in den Mund, wenigstens eine Zeitlang, bis sie oder bis der eine oder andere von einem Sammler entdeckt wurde, sie lebten in Provisorien, sie lebten als Entwurzelte, als Trottoirpflanzen, doch im Grunde lebten sie münchhauserisch selbstschöpferisch von den Stanzen ihrer Kunst, sie stanzten sich künstlerisch ins Vorhandensein, sie lebten als die zerstreute Schar durch das Selbstbeatmungsgerät ihrer künstlerischen Wut, dieser Selbstumsetzung Tag für Tag einer beispiellosen Verausgabung. Sie waren das Lumpenproletariat, einige brachten sich um, alle klammerten sich über den Sexus ans Leben, später sammelten die Nazis diese Heimatlosen ein fürs Gas. Im Gegensatz zu ihnen waren die Impressionisten Bauern und Bürger, Siedler. Sie waren Verfolgte oder eben Nichtintegrierte. Ihre Kunst atmet Melancholie und Verzweiflung und Glaubenslosigkeit und Rage und sexuelle Verpflegung und Traum, Schönheitstraum. Nicht zu vergessen in dieser Ausstellung die wunderbaren Fotografien, Man Ray, Brassaï und einige andere, diese Fotos haben Kunstrang – wie Brâncusi, Severini etc. De Chirico. Selbstversorger. Unter ihnen wirkt ein Picasso schon von Beginn an wie ein großer Klassiker – als Neuerer. Gründerpersönlichkeit, Olympier noch in der frühen Armut.
Ich hob die Frau hoch, ich legte sie hin, ich schob ihren Rock hoch, ich schälte ihre Brüste aus den Hüllen, ich griff mit den Fingerspitzen nach den Nippeln der Brustwarzen, begann sie zu kosen und ganz zart zu klemmen, und jetzt trat dieser Ausdruck ungläubigen Staunens in ihre Augen, das ganze alte Wissen, und ich hob ihr Höschen an und schob es herunter und schob mit Fingerspitzen ihre Schamlippen auseinander, öffnete diesen Mund und legte den Finger in die Öffnung, spürte wie der Kitzler sich versteifte, spürte das Feuchte, das Innengefältelte, spürte wie die Frau sich entspannte und sich mir öffnete, und dann sagte ich: Sag es mir, sag es mir jetzt , jetzt gleich,
und sie wachte unwillig auf aus ihren Willfährigkeitsanwandlungen, ihrer Ergebenheit,
und schließlich sagte sie: Was soll ich dir sagen? Daß ich dich mag? Sag es, sag es jetzt, wiederholte ich. Und sie: Du dummer Junge, du dummer Kerl, und als ich sie anstarrte wie den Fisch, aus dem Wasser gezogen, den aus der Wohligkeit, Fahrlässigkeit gehobenen Leib, schrie sie mich an: Du Dreckskerl, was fällt dir ein?
Sag es, sag es jetzt, sagte ich
und ließ sie liegen. Und sie brach in Tränen aus, in ein ihr ganzes Wesen schüttelndes verzweifeltes Schluchzen, lehnte sich an mich, zitternd,
und ich hielt sie, ganz kalt im Herzen, ganz Ohr, ganz leer
und murmelte: Sag es, sag mir jetzt gleich,
warum ich so traurig bin
4. April 2001, Paris
Lieber Herr Wittwer,
hier oben auf der Butte weht der Wind viel heftiger als unten, überhaupt spürt man die Höhenluft, ein anderes Klima: Sie sehen, ich bin schon ganz eingelebt. Kürzlich sagte mir jemand: Gehst du jetzt wieder hoch in deine Campagne?, als ich mich aufmachte. So ist es. Und schön ist die Regelmäßigkeit der Arbeitsstunden wie auch das Gefühl »nach getaner Arbeit« auf dem Rückweg je nachdem per Bus, Metro, streckenweise zu Fuß, immer anderswie und andersherum, je nach Belieben.
Ich war – wie übrigens fast immer bei einem neuen Buch – lange blockiert trotz vager inhaltlicher Vorstellungen und gelegentlichen Skizzenschreibens, weil ich nicht wußte, wer diesmal schreibt. Das ist nicht nur ein Problem der ersten oder dritten
Weitere Kostenlose Bücher