Urlaub mit Papa
zusammen, dass ich mit dem Messer abrutschte. Tränenblind, mit dem blutenden Daumen im Mund und gefolgt von Marleen und Dorothea, lief ich auf den Hof.
»Papa! Ist dir was passiert?«
Mein Vater hockte vor einem Fahrrad, das unter einem umgestürzten Müllcontainer lag. Kalli lehnte hinter ihm gerade sein Rad an den Zaun. Er sah uns entschuldigend an.
»Heinz ist in den Container gefahren.«
Mein Vater stand auf und klopfte sich seine Hose ab.
»Wie kann man ein Fahrrad ohne Felgenbremsen fahren? Nur fünf Gänge, keine Gabelfederung, keine Rahmenfederung und dann noch so eine veraltete Bremse. Also, Kalli, mit der Todesmaschine kannst du selber fahren.« Als sein Blick auf mich fiel, stutze er.
»Wieso heulst du denn? Und seit wann steckst du dir wieder den Daumen in den Mund? Und dann noch eine Kettenschaltung. Sag mal, Marleen, der Müllcontainer steht hier aber auch blöd. Den sieht man wirklich viel zu spät.«
Marleen und Dorothea wuchteten den Container wieder hoch.
»Ich weiß ja nicht, warum ihr mit so einem Affenzahn in den Hof rast. Das Ding steht seit Jahren an dieser Stelle. Du bist der Erste, der es umfährt.«
»Wir haben so einen Hunger. Wie weit seid ihr denn mit dem Essen?«
»Sobald der Müll wieder im Container ist.« Marleen drückte meinem Vater einen Besen in die Hand und ging zurück in die Küche. Mein Vater gab Kalli den Besen und folgte ihr. Ich saugte an meinem Daumen und sah Kalli zu, wie er anfing, den Müll zusammenzufegen, dann ging ich meinem Vater nach.
»Kalli fegt.«
»Das ist ja wohl das Mindeste. Es war schließlich sein Fahrrad. Ich hätte tot sein können.«
»Papa!« »Heinz…«
»Ist doch wahr. Ich kann ihm aber noch eine Schaufel bringen. Er saut sich ja sonst so ein. Und, Christine, nimm doch mal endlich den Daumen aus dem Mund. Was soll Kalli denn denken?«
Nachdem ich meinen Daumen verpflastert und den Tisch gedeckt hatte, rief ich meinen Vater und seinen Freund zum Essen . Sie gingen zusammen ins Badezimmer, kamen mit sauberen Händen und gekämmt wieder raus und setzten sich mit erwartungsfrohen Gesichtern an den Esstisch.
»Fahrradfahren macht hungrig.«
Mein Vater zog die Schüssel mit Kartoffelsalat zu sich und häufte seinen Teller voll.
»Heinz, auf den Teller soll noch eine Scholle.«
»Ah ja.« Er behielt den Löffel in der Hand, zog Kallis Teller ran und schob die Hälfte seines Salats darauf. »So. Jetzt passt es.«
»Danke schön.« Kalli lächelte und sah Marleen schüchtern an. »Ich bin jetzt einfach so mitgekommen. Heinz hat gesagt, das sei in Ordnung. Ich hoffe, es ist euch recht.«
»Natürlich.« Marleen legte ihm einen Fisch auf den Teller. »Ich koche sowieso immer zu viel. Guten Appetit.«
Mein Vater hielt Marleen seinen Teller hin. »Siehst du, Kalli, sag ich doch. Und jetzt isst du einfach immer hier mit. Es ist ja nur für eine Woche, bis Hanna wiederkommt. Und vielleicht glaube ich dir irgendwann auch, dass Norderney mit Sylt mithalten kann.«
»Wieso nicht?« Dorothea nahm Marleen die Fischplatte ab.
»Ach, Kalli wollte ein bisschen angeben, hat mir stolz erzählt, dass sie hier 320000Übernachtungen haben. Wir haben auf Sylt über das Doppelte.«
»Sylt ist doch viel größer.«
»Das hat doch damit nichts zu tun.« Mein Vater kaute mit Hingabe. »Und dann will Kalli mir morgen den Leuchtturm zeigen.«
Kalli sah mich stolz an. »Das höchste Gebäude der Insel. 54,6Meter. Da hat man einen tollen Blick übers Wasser.«
»Pah!«
Ich hatte es befürchtet.
»Der Leuchtturm in Kampen ist 62Meter hoch. Das ist ein Leuchtturm. Und…«
Marleen unterbrach ihn. »Dafür ist unser Leuchtturm der älteste an der Küste. 1874 erbaut.«
Mein Vater lächelte milde. »Ich sag nur Kampen: 1856.Der Punkt geht wieder an mich.«
Ich beobachtete ihn, wie er mit einem zufriedenen Gesicht seine Scholle zerlegte und sich noch einmal Kartoffelsalat nahm. Es schien ihm richtig gut zu gehen. Und ich bekam die Hoffnung auf einen entspannten Urlaub. Manchmal ließ ich mich von Stimmungen einlullen.
Schöner fremder Mann
– Connie Francis –
»Christine! Christiiieeene!«
Ich fiel fast aus dem Bett. Mein Vater stand im Schlafanzug vor mir. Es war 7Uhr.
»Was ist denn passiert? Willst du, dass ich einen Herzinfarkt kriege?«
»Sie ist weg.«
Ich setzte mich langsam auf und rieb mir die Augen.
»Wer?«
»Na, wer schon? Dorothea. Keine Spur von ihr. Einfach weg.«
Ich legte mich wieder hin und schloss die Augen. »Sie ist
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