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Urlaub mit Papa

Urlaub mit Papa

Titel: Urlaub mit Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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in einem Handballturnier vom Platz stellte. Doch, ich hatte wirklich eine schöne Kindheit gehabt. Von Gefühlen übermannt griff ich nach der Hand meines Vaters und drückte sie.
    »Ja, Papa, ich hatte eine schöne Kindheit. Dafür sollte ich mich mal bedanken, ich weiß, dass…«
    »Ach was.« Mein Vater verscheuchte eine Wespe von seinem Eis. »Das ist schon in Ordnung. Glaubst du, deine Geschwister hatten auch eine schöne Kindheit?«
    »Meine… ach so, ja klar, wieso?«
    Er griff wieder zu seiner Zeitung. »Ich wollte nur fragen. In Bochum hat eine 40-jährige Frau ihre Eltern erstochen und in den Carport einbetoniert. Sie sagte, das wäre die gerechte Strafe für ihre katastrophale Kindheit. Schrecklich. Aber bei euch ist soweit doch alles in Ordnung, oder?«
    Ich beschloss, noch einen Moment von hübschen Männerhintern zu träumen.
    Ohne weitere Sentimentalitäten tranken wir noch einen Kaffee. Ich las ebenfalls die Geschichte der Bochumer Tochter und dachte gerade, dass ich gar nicht wüsste, wie man einen Vater einbetoniert, als Marleen anrief.
    »Christine, wo seid ihr?«
    »Wir sitzen im Surfcafé und essen Eis. Sag mal, willst du in der Kneipe eigentlich noch Beton schütten?«
    »Bitte? Wie kommst du denn jetzt darauf?«
    »War nur ein Scherz.« Er war nicht besonders gut, für das Gesicht meines Vaters hatte er sich aber gelohnt. »Was gibt es denn?«
    »Kalli Jürgens hat hier angerufen. Er wollte wissen, ob Heinz schon da ist. Falls ihr Lust habt, könnt ihr bei ihm vorbeigehen, er ist zu Hause.«
    »Papa, hast du Kallis Adresse?«
    »Nö.«
    Ich schluckte eine Antwort runter. Marleen hatte zugehört.
    »Er hat sie mir gesagt: Kiefernweg 17.« Sie beschrieb mir den Weg. »Lasst euch Zeit, wir können uns heute Abend zum Essen treffen, ich mache Schollen. Viel Spaß mit den Jungs.« Sie kicherte und legte auf.
    Ich sah einen der Jungs an. »Hast du es mitbekommen? Kalli hat angerufen.«
    »Ich denke, das war Marleen?« Er sah betont desinteressiert an mir vorbei.
    »Papa, Kalli hat bei Marleen angerufen. Und das mit dem Beton war ein Scherz. Entschuldigung.«
    »Man macht mit so was keine Scherze.«
    »Nein, gut, du hast ja recht. Willst du jetzt zu Kalli gehen?«
    »Meinetwegen.«
    Ich gab der Bedienung ein Zeichen und zog meine Geldbörse aus der Tasche. Mein Vater bezahlte nie, wenn er beleidigt war.
    Mein Vater und Kalli hatten sich in den fünfziger Jahren in Hamburg kennengelernt. Sie waren beide aus fränkischen Provinzen in den Norden aufgebrochen, um dort das große Abenteuer zu erleben. Das mit den Abenteuern klappte nicht so ganz, es sei denn man wertet einen Job in einer Werft und ein Doppelzimmer im Christlichen Verein junger Männer als solches. Kalli und mein Vater setzten noch einen drauf, sie mieteten sich zusammen eine Wohnung.
    »Wir waren sozusagen eine der ersten Kommunen.« Mein Vater sagte diesen Satz stets mit einem verwegenen Gesichtsausdruck und fuhr sich dabei unauffällig durch sein gekämmtes restliches Haar. »Ja, das waren schon wilde Zeiten.«
    Ich glaube, es ist der einzige Moment, in dem es ihm leid tut, nicht zu rauchen, eine beiläufig selbstgedrehte Zigarette hätte ihn noch cooler wirken lassen.
    Als ich dreizehn war, starb der Mythos, die Tochter eines Althippies zu sein. Hanna, Kallis Frau, erzählte uns damals, dass die Wohnung aus zwei ehemaligen Kinderzimmern in der Wohnung einer Bahnwitwe bestand. Frau Schlüter war nach dem Auszug ihrer Töchter nicht gern allein, sie vermietete an die Herren Kalli und Heinz, kochte, wusch und bügelte für sie. Alkohol und Damenbesuche waren verboten, dafür spielten sie zu dritt jeden Abend Canasta. Mit Schnittchen und Gürkchen.
    Ein halbes Jahr später ging mein Vater zur Bundeswehr, Kalli zum Zoll. Ihre Verbindung blieb bestehen, wilde Zeiten schweißen zusammen.
    Kalli und Hanna wohnten in einem roten Haus mit großem Grundstück. Mein Vater blieb an der Pforte stehen und betrachtete den Vorgarten.
    »Die haben gar keine Hortensien. Und ganz wenige Rosen. Aber überall Sanddorn.«
    Ich zeigte mit dem Finger zur Hauswand. »Da sind Rosen. Das ist doch ein schöner Garten.«
    »Na, ich weiß nicht. Wir haben jedenfalls mehr Rosen. Aber Kalli hatte noch nie einen grünen Daumen. Schon damals nicht.«
    Während ich klingelte, stellte ich mir den jungen Kalli beim Umtopfen von Frau Schlüters Usambaraveilchen vor.
    »Darf ich dich daran erinnern, dass Mama euren Garten macht?«
    »Sie mäht nie Rasen.«
    Kalli öffnete

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