Urlaub mit Papa
eingepackt?«
»Nein. Etwa du meinen Badeanzug?«
Er schüttelte den Kopf und seufzte. »Norderney eben. Die sind hier alle angezogen. Gott, wie verklemmt. Und nun?«
Ich ging zu den Fahrrädern zurück. »Entweder fahren wir zwei Kilometer weiter zum FKK-Strand. Oder wir bleiben hier und riskieren eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.«
»Was heißt hier Ärgernis? Ich bin noch sehr gut in Form. Ich würde sogar sagen, dass sich zwei gewisse Damen aus der Pension durchaus an meinem Anblick freuen würden.« Er kicherte und hielt sich sofort die Hand vor den Mund. »Ich hoffe, das war jetzt nicht sexistisch.«
Pension war das Stichwort, ich hatte wieder die braunen Augen vor mir, mein Herz schlug schneller. Wahrscheinlich war Johann Thiess sowieso verheiratet oder gleich schwul. Solche Männer laufen nie frei herum. Ich atmete tief ein und aus. Mein Vater sah mich von der Seite an und drückte meinen Arm.
»Ich weiß, du machst dir auch Sorgen um Mama. Das mit den beiden Damen habe ich nur so im Scherz gesagt, so etwas würde ich natürlich nie tun. Ich meine, dass die mich nackig sehen oder so. Wirklich, niemals. Da kannst du ganz beruhigt sein.«
Ich zog es vor, den Irrtum nicht aufzuklären. »Ich weiß, Papa. Und die Operation morgen wird schon gut gehen. Wir rufen Mama nachher noch mal an. So, und jetzt verlassen wir den verklemmten Strand und fahren baden.«
Der FKK-Strand war fast noch schöner und vor allen Dingen weniger besucht als der andere.
Mein Vater brauchte höchstens drei Minuten, um sich seiner Sachen zu entledigen, dann rannte er wie ein kleines Kind dem Wasser entgegen und sprang mit einem Kopfsprung in eine anrollende Welle. Von Hüftschaden keine Spur. Er ließ sich von den Wellen treiben und strahlte mir entgegen.
»Herrlich!« Er musste brüllen, um die Brandung zu übertönen. »Wie zu Hause.«
Er hatte Augen wie Terence Hill.
Wir wickelten uns in unsere Handtücher und liefen gegen die Sonne am Strand entlang. Ab und zu bückte sich mein Vater, um einen Stein oder eine Muschel aufzuheben, die er dann wieder ins Wasser warf. Er blieb stehen und zeigte mir eine rosa Muschel.
»Schau mal, eine ganz intakte Herzmuschel. Das ist übrigens eines meiner Lieblingswörter: Herzmuschel. Das klingt furchtbar nett, oder?« Er spülte sie vorsichtig ab. »Die nehme ich mal mit. Vielleicht für Mama. Drehen wir um?«
Mit der Sonne im Rücken gingen wir zurück zu unseren Sachen. Ich hatte fast jeden Sommer meiner Kindheit an Sylter Stränden verbracht. Das angetrocknete Salz auf meiner Haut, das Geräusch der Brandung, die Füße im Wasser, die Anwesenheit meines Vaters und der Beginn eines Sonnenbrandes gaben mir das Gefühl, ich wäre wieder zehn Jahre alt.
»Sag mal, Christine, sollen wir uns nicht morgen mal so ein Beachball-Spiel besorgen oder einen Fußball? Und dann leihen wir uns eine Kühltasche und einen Windschutz und nehmen was zu Essen und Trinken mit. Und ein paar Zeitungen und Sonnenmilch. Wir könnten den ganzen Tag bleiben. Wie früher. Und wir nehmen Kalli und Dorothea und Gesa mit.«
Anscheinend fühlte er sich gerade wieder wie dreißig. Er dachte sogar daran, die Kinder zu bespielen, und wurde aufgeregt.
»Ja, Fußball ist doch eine gute Idee. Zwei gegen zwei und Gesa ist Schiedsrichter.«
»Und abends kommt keiner mehr die Treppen hoch.«
Er sah mich mitleidig an. »Dorothea und du, ihr macht wohl nicht so viel Sport, was? Aber Kalli und ich brauchen ja nicht in einer Mannschaft spielen. Du und ich gegen Kalli und Dorothea, sonst habt ihr natürlich keine Chance. Das wäre doch mal was. Ich frag Kalli mal, wo es gute Bälle gibt. Aber haben wir da eigentlich Zeit für?«
Wir mussten unsere Sachen einen Moment lang suchen, mein Vater hatte sich die Stelle, an der wir uns ausgezogen hatten, genau gemerkt. Er war sich so sicher, dass ich nicht aufgepasst hatte. An der Stelle, auf die er zusteuerte, lag nichts.
»Ich glaube es nicht! Die haben unsere Sachen geklaut.« Er starrte fassungslos auf den Sand und schüttelte den Kopf. »Das gibt es doch gar nicht. Meine beste kurze Hose. Das würde sich auf Sylt keiner trauen. Was machen wir denn jetzt? Ich kann doch mit dem Handtuch kein Fahrrad fahren. So ganz ohne Hose.«
Ich biss mir auf die Unterlippe, bevor mich die Vorstellung, wie wir beide, nur mit flatternden Handtüchern spärlich bedeckt, fröhlich an den Kurkliniken vorbei radeln würden, zusammenbrechen ließ.
»Ich glaube nicht, dass
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