Urlaub mit Papa
nach Emden gefahren, Farben kaufen.«
»Wieso das denn?«
»Weil sie mit irgendwas die Kneipe streichen muss.«
»Kennt sie sich in Emden überhaupt aus?«
»Nils ist ja mit.«
Er schnappte nach Luft. »Ihr lasst sie mit einem langhaarigen Bombenleger in eine fremde Stadt fahren? Habt ihr denn keinen Funken Verstand im Kopf?«
Er ließ sich auf die Bettkante sinken und vergrub theatralisch sein Gesicht in den Händen. Seufzend setzte ich mich wieder auf.
»Papa, jetzt mach hier bitte keinen Aufstand. Nils ist Innenarchitekt und mit Sicherheit kein Bombenleger und Dorothea ist 42 und nicht deine Tochter.«
»Ich weiß, wie alt sie ist, na und? Ich bin 73 und irre mich auch manchmal bei Menschen.«
»Das ist ja mal was ganz Neues, ich denke, du irrst dich nie.«
»Rede nicht in diesem Ton mit mir, ich bin immer noch dein Vater.«
Abrupt erhob er sich und ging hinaus. Ich zählte bis zwölf, dann stand ich auf und folgte ihm. Er saß auf seinem Bett und starrte gegen den Schrank.
»Also, was ist los?«
Er rieb seine nackten Füße gegeneinander und schwieg.
»Papa! Bitte!«
»Deine Mutter liegt im Krankenhaus und ihr setzt euch Gefahren aus, von denen ich wieder nicht weiß.«
Dieser Satz entbehrte zwar jeglicher Logik, machte mir aber sofort ein schlechtes Gewissen. Ich setzte mich neben ihn.
»Ach, Papa. So ein künstliches Kniegelenk ist heute eine Routineoperation. Ich habe gestern Vormittag mit Mama telefoniert, sie war ganz ruhig und unaufgeregt. Und wir rufen sie nachher wieder an. Gut?«
»Deine Mutter ist immer unaufgeregt. Das ist ja das Problem. Wenn ich mir keine Sorgen machen würde, würde niemand den Ernst der Lage begreifen. Aber ich kann nicht für alles die Verantwortung übernehmen. Und wenn Dorotheas Leiche heute Abend aus der Nordsee gefischt wird, sagt nicht, niemand hätte euch gewarnt.«
Ich stand auf. »Papa, jetzt ist es gut. Geh ins Bad, zieh dich an und dann frühstücken wir. Danach hilfst du Onno und triffst anschließend Kalli. Und außerdem scheint die Sonne.«
Er sah mich an. »Dass du immer in diesen alten T-Shirts schlafen musst. Mama hat sich so hübsche Nachthemden gekauft. Hoffentlich kann sie die noch anziehen.«
»Papa!« Ich ging Zähne putzen. Heute war ein Rantanplantag. Ohne Terence-Hill-Augen. Da mussten wir durch.
Nachdem sie uns den Kaffee gebracht hatte, setzte sich Marleen zu uns an den Tisch.
»Na, Heinz? Hast du noch Lust zu helfen?«
»Ich habe in meinem ganzen Leben nie meine Verpflichtungen vernachlässigt.«
»Onno hat gerade angerufen, sein Geselle Horst hat Grippe. Er hat gefragt, ob du ihm ein bisschen zur Hand gehen kannst.«
»Ich muss erst frühstücken.«
Marleen sah mich fragend an. Ich machte ihr ein Zeichen und stand auf, sie folgte mir in die Küche. »Meine Mutter geht heute ins Krankenhaus und wird morgen früh operiert. Er macht sich Sorgen und hat deshalb ziemlich schlechte Laune. Das wird bis morgen Mittag so bleiben, es sei denn, er wird abgelenkt.«
»Du, ich habe genug für ihn zu tun. Onno braucht wirklich Hilfe und dann bekommen wir heute neue Gäste. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern und einen allein reisenden Herrn. Heinz könnte die Familie nachher vom Hafen abholen.«
»Sag ihm das. Der Mann braucht Aufgaben.«
Eine Stunde später räumte ich die erste Geschirrspülmaschine aus. Mein Vater war mit leidendem Gesichtsausdruck in die Kneipe getrottet. Er hatte noch nicht einmal ein Ei gegessen. Sein Frühstück hatte aus einem halben Brötchen bestanden und die Tatsache, dass er es mit Nutella bestrichen hatte, machte mir seine verzweifelte Stimmung klar. Ich nahm mir vor, später meine Schwester anzurufen. Ines wollte meine Mutter ins Krankenhaus bringen, ich wusste nur nicht mehr genau, wann sie den Termin hatten.
Im Frühstücksraum saßen noch zwei Paare und natürlich Frau Weidemann-Zapek nebst Freundin Klüppersberg. Als sie mich entdeckten, winkten sie mir aufgeregt zu.
»Guten Morgen, liebe Christine, ob Sie uns bitte noch etwas Tee bringen könnten? Ach, und wo bleibt denn Ihr Herr Vater?«
Ich bemühte mich zu lächeln und hob die Schultern. »Ich weiß gar nicht, wo er im Moment steckt. Er wird schon noch kommen.«
Ich war gespannt, wie viel Geduld sie entwickeln würden. Genug zu essen hatten sie jedenfalls. Und er hatte seine Ruhe.
Als ich mich umdrehte, sah ich Gesa, mit Bettwäsche beladen, an der Tür zum Frühstücksraum stehen.
»Christine, der neue Gast ist schon da. Kannst du mal zur
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