Urlaub mit Papa
auch an Heinz liegen, Väter geben einem immer das Gefühl, dass man sehr viel jünger ist.«
»Heinz hat gar nichts davon mitgekriegt.«
»Das ist bestimmt auch besser so.« Dorothea lachte. »Stell dir vor, er hätte eingegriffen. Wie hat dein Vater eigentlich früher reagiert, wenn du jemanden mit nach Hause gebracht hast?«
Ich dachte nach. »Ganz normal. Bei Holger hat er gesagt, dass er was Brutales in den Augen hätte, Jörg war ihm zu weich, Peter zu dumm und als ich Bernd heiraten wollte, hat mein Vater mir zu einem Ehevertrag geraten. Bei der Scheidung hat er triumphiert und mich zum Essen eingeladen. Wie er halt so ist.«
Dorothea stand auf und ging zum Schrank. »Er meint es nur gut. Also, ich habe drei scharfe Kleider mit, die passen dir auch. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht beide den besten Sommer unseres Lebens hätten.« Sie zeigte mir ein schwarzes Kleid, ärmellos, vorne ausgeschnitten, hinten genug Stoff. »Das hier. Das ziehst du jetzt an. Heinz sollte deine Eroberungsfeldzüge aber besser nicht mitbekommen. Ich habe da ein komisches Gefühl.«
Wir sahen uns lange an. Ich nickte. Das komische Gefühl hatte ich auch.
Eine Stunde später saß ich im Strandkorb im Garten und las die Tageszeitung. Dorothea wollte noch mal ins Bett, das Aufstehen um 5Uhr morgens war nichts für sie. Marleen war einkaufen gefahren, Kalli holte die vierköpfige Familie vom Hafen ab und mein Vater duschte. Ich überflog einen Artikel auf der Regionalseite: »Invasion der Tagesgäste oder wo geht es hier bitte zum Strand?« Ich war mir fast sicher, dass es eine Parodie war, so konnte kein erwachsener Mensch schreiben. Ich musste über die Umständlichkeit und das Talent, jeden Witz zur Strecke zu bringen, lachen. Der Artikel war mit dem Kürzel GvM signiert, schräger Mensch, dachte ich, als ich Schritte hinter dem Strandkorb hörte.
»Hallo?«
Die Stimme ließ mich zusammenzucken. Bevor ich antworten konnte, stand Johann Thiess vor mir.
»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken. Das ist ja nett hier.« Er deutete auf den Stuhl. »Darf ich?«
Er lächelte. Ich schluckte.
»Natürlich… Kaffee?«
»Sehr gerne. Aber nur, wenn es keine Umstände macht.«
Ich sprang auf und rannte fast ins Haus. Keine Umstände. Es rettete mein Leben. Während ich die Kaffeemaschine betätigte, machte ich Atemübungen. Ich betete für die Fähigkeit, ganze Sätze bilden zu können, und dass mein Vater sich alle Zeit der Welt beim Duschen nahm. Etwas ruhiger balancierte ich schließlich zwei Tassen in den Garten. Johann Thiess hatte sich die Zeitung geholt und las den Invasions-Artikel. Er lächelte mir entgegen und faltete die Zeitung wieder zusammen.
»Haben Sie den Artikel über die Tagesgäste gelesen? Der ist ja so schlecht, dass er schon wieder komisch ist.«
Ein Zeichen, dachte ich und verscheuchte sofort den Gedanken. Sei nur charmant und sexy.
Johann Thiess goss Milch in seinen Kaffee und rührte um.
»Leben Sie eigentlich auf der Insel?«
Sein Blick war intensiv, mir wurde warm.
»Nein, ich wohne in Hamburg. Marleens Kneipe wird gerade renoviert und ich helfe hier ein bisschen mit.«
»Und wie lange noch?«
»Wir sind erst zwei Tage hier. Also noch fast zwei Wochen.«
»Schön.« Der Blick traf mich mitten ins Herz. Seine Augen waren wirklich rehbraun.
»Und wo kommen Sie her?«
Er hielt kurz inne. »Ich, ähm… aus Bremen.«
»Aha. Schöne Stadt.« Ich redete schon wieder Unsinn. Er ging zum Glück nicht drauf ein.
»Ich weiß übrigens gar nicht, wie Sie heißen.«
Ich hatte selten so ein schönes Männergesicht gesehen.
»Christine. Christine Schmidt.«
»Christine.« Ich hatte auch selten meinen Namen so schön gehört. Ich bekam Gänsehaut.
»Schöner Name.«
»Mir gefällt Johann auch.«
Wir sahen uns lange schweigend an. Dann redeten wir gleichzeitig.
»Wollen wir…« »Hast du Lust…«
»Du zuerst.«
Ich konnte keinen Mann siezen, der mir ins Herz guckte. Johann lächelte.
»Hast du Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen?«
»Christiiieeene!«
Mein Vater hätte mir auch einfach einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf gießen können. Hektisch sprang ich auf. Ich hielt eine Vorstellung der beiden Herren zu diesem Zeitpunkt für absolut verfrüht.
»Tut mir leid, ich muss kurz nach ihm schauen. Mein Vater. Bleibst du hier?«
Johann sah auf die Uhr. »Ich muss noch was erledigen. Wir sehen uns bestimmt später. Danke für den Kaffee.«
»Christiiieeene!«
»Ja
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