Urlaub mit Papa
war ertappt und drehte den Spieß einfach um. Aber warum hatte er nur so schöne Augen? Und diese Wimpern…
»Man hat dich gesehen und du warst nicht allein. Mir hast du erzählt, dass du hier niemanden kennst. Und dass du zum Strand fährst.«
»Vielleicht hat euer Meisterdetektiv auch eine Situation missverstanden. Die ganz große Leuchte beim Observieren ist er ja auch nicht.«
»Dann erzähl mir, was du hier machst. Warum du mit alten Frauen Kaffee trinkst, warum du dich für Marleen interessierst, warum du die Pension und alles fotografiert hast. Ich will…«
Johanns Handy klingelte. Er machte keine Anstalten, dranzugehen. Nach drei lauten Tönen sagte ich: »Nun gehe schon ran.«
Er ließ mich nicht aus den Augen, während er sich meldete. Die Stimme am anderen Ende war so deutlich, dass ich sie verstehen konnte.
»Sag mal, wo steckst du? Seit einer Viertelstunde sind wir verabredet. Komm endlich hoch, Zimmer 126.«
Johann verdrehte die Augen. »Mausi, im Moment ist es schlecht, geh schon an die Bar, ich komme, sobald ich kann.«
Ich stand schon, bevor er das Handy weggesteckt hatte. Johann griff nach meiner Hand.
»Meine Tante.«
Er lächelte schief, ich wurde unglaublich wütend. Die Stimme hatte ziemlich jung geklungen. Betont langsam entzog ich mich ihm.
»Weißt du was, Johann? Verarschen kann ich mich allein. Es ist mir völlig egal, was du hier für Spielchen spielst. Aber nicht mit mir. Reise am besten ab, bevor mein Vater und Gisbert dich treffen. Du kannst ja in die ›Georgshöhe‹ gehen, da bist du bestimmt besser untergebracht. Oder du fährst gleich nach Hause, wo auch immer das ist.«
»Christine, das ist albern. Ich kann dir alles erklären. Aber nicht jetzt.«
Natürlich nicht, schließlich wartete Mausi auf ihn.
»Du kannst mich mal.«
Ich drehte mich auf dem Absatz um und ließ ihn stehen. Irgendwann hatte ich gelernt, dass man mit hoch erhobenem Kopf und dem letzten Wort abtreten musste. Ich fragte mich nur, warum es sich so falsch anfühlte. Trotzdem sah ich mich nicht mehr um, sondern ging mit schnellen Schritten und zusammengebissenen Zähnen zurück in die Pension.
Die Fenster und Türen der Kneipe standen sperrangelweit offen. Marianne Rosenberg und mein Vater sangen ›Fremder Mann‹, Dorothea kam mit zwei Müllsäcken heraus und ich fing an zu heulen. Sie ließ die Säcke sofort fallen und lief auf mich zu.
»Was ist los?«
Ich konnte nicht antworten.
»Deine Mutter?«
»Mein… Vater… hatte… recht… Heirats…« Ich erstickte fast.
Hubert sang jetzt die tiefen Töne, einer der anderen hämmerte im Takt.
»Komm, Christine, wir gehen in die Wohnung.«
Sie zog mich am Arm hinter sich her, ich leistete keinen Widerstand.
Später saßen wir in der kleinen Küche unserer Ferienwohnung. Dorothea hatte Tee gekocht, ich hatte zwei Pakete Tempos verbraucht und war langsam wieder in der Lage, zusammenhängende Sätze zu formulieren. Sie hörte mir mit großen Augen zu. Ich bemühte mich, kein Detail auszulassen, bis auf wenige, und beschrieb den gestrigen Abend und die folgende Nacht chronologisch und mit Herzklopfen. An einer Stelle seufzte sie: »Wie im Film«, und mir trieb es wieder die Tränen in die Augen. Bei der Bindehautentzündung war sie amüsiert. Als ich zu Gisbert und seinen Handyfotos kam, setzte sie sich gerade hin.
»Und? Was war drauf?«
»Na, was wohl? Johann und so eine alte Dame, ziemlich beringt, teuer angezogen und sehr innig mit ihm.«
»Und wer war das?«
»Was weiß ich? Das nächste Opfer wahrscheinlich…«
Dorothea guckte skeptisch. »Hast du ihn denn nicht gefragt, wer die Frau ist?«
»Doch«, ich dachte kurz an das zurückliegende Gespräch, »aber er hat es nicht beantwortet.«
»Vielleicht hast du ja auch nicht richtig gefragt. Hatte er überhaupt eine Chance, das Ganze aufzuklären?«
»Natürlich.« Ich verdrängte die Erinnerung an meine Verhörtaktik. »Und außerdem gab es nichts aufzuklären. Und dann rief noch diese Mausi an.«
»Und?«
»Er sagte, es wäre seine Tante. Die Stimme klang aber ziemlich jung.«
»Tante Mausi? Das denkt man sich doch nicht aus.«
Ich rieb meine Augen und verschmierte damit die letzte Wimperntusche. »Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich? Ich fand den Heiratsschwindlerquatsch auch albern, aber jetzt passiert so etwas. Ich verstehe das nicht.«
Dorothea rührte nachdenklich in ihrer Tasse. »Ich weiß nicht, irgendwas stimmt hier nicht.«
»Sag ich doch.«
Sie winkte
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