Urlaub mit Papa
nur den Kopf gehoben, als Gesa und ich mit unseren Eimern und Wischmops in die Kneipe traten. Nur von Carsten war ein zufriedenes »Ah, die Putzkolonne« gekommen.
Ich erkannte gleich, womit mein Vater so konzentriert beschäftigt war. Er hatte keinerlei räumliche Vorstellungskraft, also zeichnete er seit jeher Möbel auf Millimeterpapier, schnitt sie aus und schob sie auf maßstabgetreuen Plänen hin und her. Stundenlang und immer wieder. Die Möbel meiner Eltern lagen sortiert in einer alten Pralinenschachtel, bevor meine Mutter umstellte, machte Heinz immer einen Probelauf. Und meine Mutter stellte oft um.
Während er mit zusammengekniffenen Augen die Sitzgruppen über den Kneipenplan schob und dabei mit der Zungenspitze Schwung holte, wrang ich meinen Lappen aus und scheuerte die Ecken. Gesa sah mich von Zeit zu Zeit an, vielleicht war ihr eingefallen, dass man früher die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft hatte. Zu allem Überfluss blieb mein Handy stumm. Als ich am Tresen vorbei ging, um das Wasser zu wechseln, fiel mir ein Papierfitzelchen vor die Füße. »Sessel/Leder/rot«. Mein Vater und ich bückten uns gleichzeitig und stießen mit den Köpfen zusammen.
»Aua! Mensch, Christine.«
Ich rieb mir mit geschlossenen Augen die Schläfe und spürte den Zeigefinger meines Vaters, der mein Kinn hob.
»Was ist los?«
Mir schossen die Tränen in die Augen, ich drehte mich weg.
»Nichts. Schon gut. Entschuldigung.«
»Du hast doch was.«
»Ich habe sie!« Gisbert schoss wie ein gehetztes Kaninchen in die Kneipe. »Die Beweisfotos. Ja. Ja. Ja.«
Er blieb mitten im Raum stehen, legte seinen Kopf in den Nacken und streckte seine dünnen Ärmchen zur Decke. Wahrscheinlich fühlte er sich wie der Terminator, dabei sah er aus wie immer.
Mein Vater löste widerstrebend seinen Blick von mir und ging auf den Meisterschnüffler zu.
»Lass sehen.«
Gisbert holte mit großer Geste sein Handy aus der Hemdtasche und hielt es wie einen Pokal in die Höhe. »Hier ist der Verbrecher, in flagranti erwischt, in Ausübung seiner kriminellen Tätigkeit.«
Gesa erhob sich langsam aus der Hocke und warf mir einen ängstlichen Blick zu. Gisbert sah mich ebenfalls an, allerdings triumphierend. »Hier, Christine, hier ist der Beweis. Du mit deiner Gutgläubigkeit.«
Eigentlich wollte ich das alles überhaupt nicht wissen und schon gar nicht bewiesen haben. Ich stellte mich trotzdem neben ihn und wartete. GvM drückte auf die Tasten des Geräts.
»Warte mal, wie ging das noch? Ins Menü, dann Einstellungen, nein…« Seine Finger wurden hektisch. »Erst Extra, Enter, nein. Ach so, ja, zurück, dann…«
Er bekam wieder seine hektischen Flecken am Hals. Kalli, Heinz, Carsten und Gesa bildeten einen Kreis um uns.
»Noch mal von vorn. Nein… Oh, jetzt ist alles weg.«
In mir stieg ein kleines Gefühl der Hoffnung auf, die anderen traten einen Schritt näher. Das Techniktalent sah entschuldigend in die Runde.
»Ich habe das Telefon nämlich neu und bin mir nicht mehr sicher…«
Mein Vater streckte die Hand aus. Meine Hoffnung wuchs. Wenn er das Handy in die Finger bekäme, um irgendwas auszuprobieren, würden die Photos bestimmt gelöscht. Ich schob meinen Vater näher zu Gisbert.
»Nein, warte, jetzt habe ich’s. Menü… Galerie… Photos. Na bitte. Hier, da sind sie.«
Aufatmend hielt er mir das Display vors Gesicht, ich starrte regungslos drauf. Johann, der eine Dame, die bestimmt über 70 war, anlächelte. Auf dem zweiten Bild griff sie ihm ins Haar. Die nächste Einstellung zeigte ihn, als er sich vorbeugte, um sie zu küssen.
»Ja, o. k. Gute Bildqualität. Tolle Kamera.«
Ich schob Gisberts Arm zur Seite und fragte mich, warum man unter Schock so einen Unsinn redete. Während die anderen sich wie die Geier auf das Handy stürzten, setzte er nach.
»Und? Das ist er doch, dieser Thiess, oder? Den du so reizend fandest? Und habe ich den jetzt verwechselt?«
»Nein, das ist er. Du, entschuldige, aber wir haben hier noch zu tun.«
Ich zwang mich zur Königinnenhaltung und ging zurück zu meinem Wischeimer. Mein Vater folgte mir.
»Sag mal, Kind…«
»Ja?« Nie im Leben zuvor hatte ich einen Lappen so dermaßen trocken gewrungen. Ich musste ihn noch einmal eintauchen. »Was ist?«
»Du hast uns nicht geglaubt, oder?«
»Was?«
»Dass dieser Kerl nicht ganz koscher ist.«
»Jetzt habe ich es ja gesehen. Du kannst dir also dein Ich-habe-es-dir-ja-gleich-gesagt sparen.«
Ich knallte den nassen
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