Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urmels Lichterbaum im Eismeer

Urmels Lichterbaum im Eismeer

Titel: Urmels Lichterbaum im Eismeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
Vom Netzwerk:
Er
bat Tim Tintenklecks die Segel einzuziehen und den Anker auszuwerfen. Die
Leinwand knirschte, steif vor Kälte, als sie herabgezogen wurde, die Kette
ratterte durch die schwarz umrahmte Öffnung ganz vorn im Bug.
    »Es
sieht aus wie ein Auge, aus dem Tränen fließen«, fand das Urmel.
    Die
Drift des Schiffes zog die Kette nach hinten, sie spannte sich, es scharrte,
das Schiff verlangsamte die Fahrt, es gab einen Ruck, das Eis rechts und links
knirschte, es gab noch einen kleinen Ruck, die Kette lockerte sich wieder: Der Fliegende
Habakuk stand.
    Seele-Fant,
der hinterhergeschwommen war, robbte nun auf das feste Eis. Da lag er wie ein
dunkler Sack mit Kopf und Schwanzflossen. Seine Augen funkelten. Er stieß einen
langen, dunklen Ton aus. Es schallte weit über das Land.
    »Jetzt
nicht, bitte singe jetzt nicht, Seele-Fant«, rief der Professor hinab. »Seid
bitte alle still, damit wir etwas hören können!«
    Seele-Fant,
auf dessen Stirn sich Falten in dicken Wülsten gebildet hatten, grummelte:
»Söngö, wöm Gösang gögöbön!« Aber er hütete sich, es laut zu sagen. Vor dem
Professor hatte er Respekt.
    Dieser
schaute an den frostglitzernden Himmel. »Bald werden die Tage wieder kürzer.
Das geht hier besonders rasch. Und dann fängt die ununterbrochene Polarnacht
an. Es gibt keinen Tag mehr, die Sonne geht niemals auf. Es herrscht dauernde
Finsternis. Daher müssen wir schon vorher wieder auf dem Rückweg sein. Einen
Winter könnten wir selbst in unseren Thermoanzügen und mit der ›Inneren Heizung‹
nicht überstehen.«
    »Dafür
würden auch unsere Vorräte nicht reichen, öfföff«, grunzte Wutz, der das
leibliche Wohl aller am Herzen lag.
    »Aber
wir wollen doch vorher Weihnachten feiern!«, maunzte das Urmel.
    »Es
gibt Wichtigeres, öfföff!«
    »Ihr
habt es aber versprochen. Warum haben wir denn die weite Reise sonst gemacht?«
    »Um
Angakorok zu suchen und um ihm zu helfen!« Der Professor schaute mit
zusammengekniffenen Augen über die eintönigen Eisflächen.



Wutz hat noch
eine gute Idee
     
    Rings um den Fliegenden
Habakuk war nur blendendes Weiß zu sehen. Es gab nur eine schmale Wasserrinne vor und hinter
ihnen — und zahllose kleine Kanäle, die das Eisfeld wie Kritzellinien
durchzogen. Manche Eisplatten waren wie Inseln. Von Zeit zu Zeit erschien
irgendwo ein Seehund, sprang empor, beschrieb in der Luft einen Bogen und
tauchte wieder unter. Wutz schaute fasziniert zu.
    Ping
Pinguin, der gerade an Deck gekommen war, sah sie pfiffig an. »Na, Wutz, wie
wäre es? Du siehst aus, als wolltest du es auch mal versuchen. Pfwimmen ist
pfön, und im Eiswasser ist es am allerpfönsten. Pfließlich hast du ja genug Pfpeck,
der hält dich warm!«
    »Ph!«
Sie schnaubte ihm nur ein verächtliches »Öfföff« entgegen. Sie fand, es lohnte
nicht, ihm darauf eine ernsthafte Antwort zu geben. Allein der Gedanke, auch
nur eine Klaue in dieses kalte Wasser zu tauchen, jagte ihr eisige Schauer über
die rosarote Haut, sogar im Thermoanzug. Sie bibberte.
    Ping
Pinguin fragte den Professor: »Wo ist denn nun dieser Pfamane?«
    »Angakorok?
Das wüsste ich auch gern, Ping!«, antwortete er. »Dass ich nichts von ihm weiß,
macht mir große Sorge. Wir sind nun schon so lange unterwegs. In dieser Zeit
kann so viel passiert sein! Wir sind auch schon einige Tage hier im ewigen Eis.
Als wir das erste Mal hier waren, du erinnerst dich doch, da war er es, der uns
gefunden hat. Warum tut er es diesmal nicht? Wüsste ich nur, wo er ist! Hier
gibt es ja nichts, an dem man sich orientieren kann, keinen Baum und keinen
Strauch, erst recht kein Dorf, nicht einmal eine Hütte!«
    Wutz
nickte betrübt mit der dicken Kapuze. An ihren Nasenlöchern bildeten sich
kleine Eiszapfen, die nach unten wuchsen. Sie teilte die Sorge des Professors
um Angakorok. Der Eskimo war immer besonders nett zu ihr gewesen. Sie erinnerte
sich gern daran. »Er hat mich die beste Köchin der Welt genannt, öfföff! Das
vergesse ich ihm nie.«
    »Nun,
da hat er doch nur die Wahrheit gesagt. Das finde ich auch!«, murmelte der
Professor, mit seinen Gedanken ganz weit weg.
    »Aber
du sagst es nie, öfföff!«
    »Nun
ja, wenn man Tag für Tag zusammenlebt...«, antwortete er etwas verlegen.
    »Man
muss es aber auch mal hören, öfföff! Sonst wird man unsicher und verliert die
Lust!«
    Der
Professor nickte: »Es tut mir Leid! Du machst alles wundervoll, Wutz!«
     

     
    Sie
senkte verschämt den Kopf. »Schon gut, öfföff!« Sie fuhr fort: »Hör

Weitere Kostenlose Bücher