Urod - Die Quelle (German Edition)
doch Sebastian hielt ihren Arm fest.
„ Lass uns da vorne in den Schatten gehen!“
Der Schatten, den er meinte, bestand aus drei verkümmerten Büschen, die ihr Bestes taten, der Sonne die Stirn zu bieten. Lange würden sie es allerdings nicht mehr durchhalten. Sebastian schleuderte das Gepäck zu Boden und legte sich dann auf den Rücken, den Kopf in den spärlichen Schatten gezwängt. Nur Sekunden später hörte Viola ihn bereits schnarchen. Sie schüttelte verwundert den Kopf und suchte in ihrer Reisetasche nach einem Buch.
Enza hatte es sich unter ihrem improvisierten Baldachin bequem gemacht, ihr Kopf ruhte auf ihrem Rucksack, ihre Augen waren geschlossen. Unruhig hielt Viola nach Thomas Ausschau. Endlich kam er in Sichtweite, Lea folgte ihm in einigem Abstand. Erst jetzt rollte Viola sich auf den Bauch und tat so als würde sie lesen.
Thomas stapfte schnurstracks auf Viola und Sebastian zu und streckte sich neben ihnen aus, während Lea stehenblieb und unentschlossen von den dreien zu Enza und wieder zurück sah. Viola konnte erkennen, wie Lea innerlich mit sich rang. Ihre Wahl fiel schließlich auf Enza.
Umständlich befreite sie sich von ihrem schweren Rucksack und ließ sich auf den harten Boden fallen. Enza blinzelte kurz und schloss ihre Lider dann wieder. Lea fischte zwei Dosen Malzbier aus einer ihrer vielen Nebentaschen und bot Enza eine davon an.
„ Genau richtig – brütend heiß!“ versuchte Lea zu scherzen.
Ohne ihre Augen zu öffnen, schüttelte Enza einfach den Kopf. Lea trank in großen Schlucken, verzog das Gesicht zu einer angewiderten Grimasse und betrachtete unschlüssig die Gegend, als suche sie nach etwas Bestimmtem. Dabei scharrte sie mit ihrem rechten Fuß in dem sandigen Boden und seufzte tief.
„ Jetzt hassen mich alle", stieß sie unvermittelt hervor.
„ Naja, der Bus war zwar nicht klimatisiert, aber wenigstens konnte man sitzen“, antwortete Enza lakonisch.
Lea überschlug sich fast, offensichtlich dankbar, sich endlich vor jemandem rechtfertigen zu können.
„ Was hatte der arme Vogel ihm denn bloß getan?“
„ Die Windschutzscheibe demoliert.“
„ Na und? Das ist doch keine Art, ein Lebewesen zu behandeln.“
Enza winkte müde ab. Augenscheinlich nicht an einer Diskussion interessiert. Es dauerte eine Weile, aber dann verstand Lea, dass es sinnlos war, auf eine Antwort Enzas zu warten. Sie steckte diesen Dämpfer erstaunlich locker weg, als sei sie es gewohnt mit ihrer Art auf derlei Reaktionen zu stoßen. Unvermittelt wechselte sie das Thema.
„ Darf ich mal fragen, wie alt du bist?“
Enza runzelte die Stirn.
„ Tut mir leid, ich wollte nicht…“
„ Schon gut. Ich bin 40.“
„ Wow! Du siehst viel jünger aus. Deine Haut ist so...“
Sie hielt Enza ihre Wange hin.
„ Guck dir meine mal an. Rau, spröde – eine absolute Katastrophe. Ich werde mit 40 bestimmt wie eine Mumie aussehen. Schlechte Gene! Meine Mutter sah schon mit 36 aus wie 50.“
Wortlos zog Enza den Rucksack zu sich heran und kramte eine weiße Dose daraus hervor, die in der Sonne wie Perlmutt schimmerte. Sie hielt sie Lea entgegen.
„ Mein Geheimnis. Reinstes Mandel- und Rosenöl.“
Lea blickte so ehrfürchtig auf die Dose, dass Enza lachen musste.
„ Du kannst sie ruhig mal ausprobieren.“
Lea nahm ihr die Dose aus der Hand, als wäre sie ein zerbrechliches Kleinod. Nachdem sie ausgiebig an der Creme geschnüffelt hatte, verteilte sie sie sparsam auf ihrem Gesicht und Hals und verschloss die Dose dann vorsichtig wieder. Als sie sie jedoch in Enzas Rucksack verstauen wollte, schnellte Enzas Hand hervor und riss ihr den Rucksack weg. Verblüfft hielt Lea inne.
„ Ich mach das schon.“ bemerkte Enza hastig.
Lea zuckte die Schultern und hielt Enza die Cremedose hin.
„ Ich packe sie an eine bestimmte Stelle, damit sie nicht ausläuft“, erklärte Enza, während sie Lea den Rücken zuwandte und sich an dem Rucksack zu schaffen machte.
Lea nickte stumm, aber es war ihr anzusehen, dass sie Enza kein Wort glaubte.
Thomas' ertrug das Herumsitzen in der Gluthitze nicht länger. Sie schien ihn zu erdrücken genau wie die Nähe zu Viola und Sebastian. Er sprang auf, um sich umzusehen und überquerte die Straße, die sich in einer Kurve den Berg hinauf schlängelte, in der Hoffnung, einen Blick in die Ferne erhaschen zu können und zu erfahren, ob es irgendwelche Anzeichen von Zivilisation ringsumher gab.
Es gab keine.
Endlos schien sich die Straße in der
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