Urod - Die Quelle (German Edition)
war es vorbei. Er bewegte sich nicht mehr. Das Gift. Der Plan hatte funktioniert.
Automatisch blickte Viola zu den anderen Urods hinüber. Auch sie lagen leblos auf dem Boden.
Viola sprang zurück in den Transporter und ließ erneut den Motor an. Dieses Mal behutsam und gefühlvoll. Es klappte. Dann drückte sie das Gaspedal durch und brauste los.
Sie dachte an nichts, konzentrierte sich einfach nur darauf, auf dem Weg zu bleiben, der immer noch morastig und schlammig war. Der Transporter rumpelte heftig, sodass sie mehrmals mit dem Kopf an die Decke stieß. Sie konnte nur hoffen, dass Thomas diese Fahrt überleben würde.
Erst jetzt traute sie sich wieder in den Rückspiegel zu sehen. Hinter ihr war nichts, außer den üppigen Kronen der Bäume, die sich verdichtet hatten zu einem grünen Schutzwall, der sie vor allem Unbill bewahren würde.
Nach einer Weile wurde der Weg fester, die Erde trockener. Viola beschleunigte das Tempo. Und schon bald hatte sie das Ende des Waldes erreicht. Als sie die staubige, ausgedörrte Straße vor sich sah, die von der gleißenden Sonne ausgebleicht war, spürte sie, dass sich ihre Bronchien verkrampft hatten. Vor Anspannung hatte sie den ganzen Weg über nur flach geatmet. Sie holte in paar Mal tief Luft und bog dann nach links ab. Nur noch wenige Kilometer und sie wäre zurück in der Zivilisation. Ihre Rettung. Oder war es ihr Fluch? Wie sollte sie nur weiter leben? Würde sie es können? Doch dann dachte sie an ihr Baby. Und an Thomas. Würde er es schaffen? Hatten sie drei eine Chance? Als sie auf der rechten Seite einen Weg sah, der zu einem kleinen Plateau führte, bog sie ab und hielt an. Unter ihr lag ein felsiger Abgrund. Die Schatten waren länger geworden und die Luft kühlte sich langsam ab.
Doch das alles sah Viola nicht.
Sie war ausgestiegen und zu Thomas auf die Ladefläche des Transporters geklettert. Sein Blut war überall. Er sah vollkommen weiß aus. Viola setzte sich hin und zog Thomas’ Kopf auf ihren Schoß. Er atmete noch. Es war unglaublich, aber noch lebte er. Viola wusste, dass er es nicht schaffen würde. Er hatte zu viel Blut verloren. Sie hatte es die ganze Zeit schon gewusst. Doch es schien, als habe er auf sie gewartet. Atemzug um Atemzug. Bis es vorbei war. Bis sie außer Gefahr war.
Viola nahm seine kalten Hände in die ihren. Sie hielt ihn fest. Auch wenn nicht mehr viel Leben in ihm war, so war sie doch sicher, dass er sie spüren würde. Wie er sie immer gespürt hatte.
„Ich liebe dich. Du weißt nicht, wie sehr. Und du wirst immer bei mir sein. Es ist gut jetzt. Du kannst gehen. Geh’ zu Sebastian und Miles, zu Enza und Lea. Und warte dort auf mich.“
Sie hielt ihn fest. Es dauerte Stunden. Er konnte sie nicht verlassen.
Und dann war es vorbei.
Er atmete nicht mehr. Viola warf sich über ihn. Bedeckte seinen Körper mit ihrem. Sie weinte, sie schrie, sie klagte.
Die Nacht kam und ging. Erst in der Dämmerung fiel Viola in einen unruhigen Schlaf an seiner Seite. Als sie erwachte, spürte sie, wie schwach sie war. Sie musste etwas trinken und essen. Und sie musste einen Spaten besorgen, um ihren Geliebten zu begraben. Niemand durfte ihn finden, bevor sie es nicht vollendet hatte. Sie zerrte Thomas von der Ladefläche und ließ seinen Körper auf den Boden platschen. Zweimal verlor sie dabei das Bewusstsein. Sie fühlte sich unendlich einsam.
Endlich saß sie im Auto und fuhr zum nächsten Dorf. Sie erinnerte sich, dass es dort eine Tankstelle gegeben hatte, weil ihr Bus dort einen Tankstopp eingelegt hatte. An der Tankstelle kaufte sie mehrere Kanister mit Benzin und eine Schaufel. Einen Spaten gab es nicht. Das junge Mädchen hinter dem Tresen sah aus, als hätte sie eine Erscheinung. Erst in dem Moment wurde Viola klar, was für einen Eindruck sie machen musste. Sie war vollkommen blutbesudelt, ihre Haare und ihre Haut waren dreckig und sie musste riechen wie ein Krieger nach einem Dreitagesmarsch. Das Mädchen fürchtete sich vor Viola. Irgendwo tief in ihrem Inneren spürte Viola ein hysterisches Lachen herannahen. Doch sie konnte es unterdrücken. Sie durfte die Kleine nicht noch mehr verunsichern. Nicht noch mehr Aufsehen erregen.
Nachdem sie sich jede Menge Schokoriegel, abgepacktes Brot und Brauselimonade aufgeladen hatte, bezahlte sie mit Harris’ Kreditkarte. Innerlich hatte Viola sich bereits darauf eingestellt mit den Sachen zu türmen, da sie sich kaum vorstellen konnte, dass man hier mit Kreditkarte bezahlen
Weitere Kostenlose Bücher