Urod - Die Quelle (German Edition)
Grollen aus seinem Inneren ertönen. Er ignorierte Sebastians Frage einfach und sah an dem Knochen vorbei, als existiere dieser gar nicht.
„ Ihr solltet jetzt verschwinden. Hier ist kein Platz für euch, wann kapiert ihr das endlich?“
Sebastian wollte ihm eine passende Antwort servieren, aber Enza kam ihm zuvor.
„ Sag uns endlich, was hier los ist! Was sind das für Gräber und warum müssen wir uns die Ohren verstopfen, wenn es nicht regnet?“
Drago blieb ihr die Antwort schuldig.
Hinter den fünfen waren die Sträucher in Wallung geraten. Etwas bewegte sich darin. Drago hieß sie alle Schweigen. Lautlos und so schnell, dass man seiner Hand kaum folgen konnte, zückte er das imposante Messer, das an seinem Gürtel hing. Dann pirschte er auf das Gesträuchs zu. Die anderen machten Anstalten, ihm zu folgen, doch er gestikulierte wild, sie sollten fern bleiben. Offensichtlich bemerkte auch das Wesen, dass Gefahr nahte. Dem Rascheln nach zu urteilen, verschwand es Richtung Wald. Viola wunderte sich über dessen Schnelligkeit. Drago blieb stehen und ließ die Kreatur entkommen, was bei Sebastian Empörung auslöste.
„ Hey, was soll das, alter Mann?!“
Drago lachte lautlos.
„ Alter Mann?“ Er lachte noch einmal. „Junge, du hast keine Ahnung, wovon du da sprichst, glaub’ mir.“
„ Warum erklärst du es uns dann nicht?“ mischte Enza sich ein.
Stattdessen aber drehte Drago sich um und sah zu den Baracken herüber, während er die kleine Gruppe aufforderte, sich zum Abfahren fertig zu machen.
„ Von wem stammt dieser Knochen? Wo ist Miles und was sind das für Gräber?" rief Enza wütend.
Drago reagierte nicht auf ihre Fragen.
„ Antworte verdammt!“ fuhr Sebastian ihn an.
„ Ihr fahrt jetzt zurück und der Rest muss euch nicht interessieren! In zehn Minuten geht’s los!“ sagte Drago ruhig.
„ Wir gehen zur Polizei!" machte Enza den schalen Versuch, Drago zu drohen.
Im ersten Moment sah es so aus, als wolle Drago einen Rückzieher machen, doch schien er es sich anders zu überlegen und winkte gleichgültig ab.
„ Ihr könnt machen, was ihr wollte, Hauptsache, ihr verschwindet von hier."
Er drehte ihnen den Rücken zu und trabte in Richtung Baracken zurück. Enza sah empört zu Sebastian herüber, doch der gestikulierte, sie solle Ruhe bewahren und verständigten sich dann stumm mit Thomas. Als Thomas nickte, hob Sebastian einen stabil wirkenden Ast vom Boden auf und zusammen eilten sie Drago nach. Drago hörte sie kommen und drehte sich herum, doch in dem Moment schlug Sebastian ihm schon mit voller Wucht den Ast ins Gesicht. Drago sank sofort zu Boden. Viola machte ein erschrockenes Gesicht, aber Enza schien die Aktion vollauf zu billigen.
„ Ging das nicht ein bisschen weniger brutal?!“ fragte Viola ungehalten.
„ Ach, was, Schatz, das musste sein. Sonst werden wir nie erfahren, was Sache ist. “
„ Der Typ hat Bärenkräfte. Wir hätten sonst echt keine Chance gegen ihn gehabt“, stärkte Thomas seinem Kumpel den Rücken.
Enza sah Viola ungeduldig an.
„ Außerdem bin ich immer noch nicht sicher, ob er nicht doch was mit dem Verschwinden von Lea zu tun hat.“
Viola schüttelte bestimmt den Kopf.
„ Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass Drago hier derjenige ist, vor dem wir uns fürchten sollten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er was weiß. Und je früher wir erfahren, was es ist, desto besser für uns. Und für Lea“, fügte sie etwas leiser hinzu.
Niemand widersprach ihr. Thomas beugte sich hinunter und umfasste Dragos Beine, während Sebastian sich dessen Arme schnappte. Gemeinsam schleiften sie ihn zur ersten Baracke und fesselten ihn dort an den Tisch.
Als Drago Minuten später wieder zu sich kam, sah er in Sebastians selbstzufriedenes Gesicht, der sich vor ihn hingehockt hatte. Der Regen, eben noch ein kitzliges Nieseln, hatte zugenommen und peitschte nun wütend gegen die Baracke. Viola wartete darauf, dass das Wasser im Kessel auf dem Herd zu kochen begann. Enza und Thomas hatten es sich auf der Bank bequem gemacht und schienen abzuwarten, dass Sebastian die Situation handhabte, was dieser ohne Zweifel genoss. Er hatte Drago die Sonnenbrille abgezogen und starrte jetzt in dessen Augen, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie ihn irritierten. Die Iris hatte einen gelblich trüben Farbton und die Pupillen waren nicht rund wie bei jedem Menschen, sondern hatten die konvexe Form einer Katze. Seine Augäpfel standen keine
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