Urod - Die Quelle (German Edition)
schürften sich ihre Arme auf, rappelten sich aber sofort wieder hoch und liefen weiter. Als sie endlich den Ausgang erreichten, sahen sie, dass er ganz in der Nähe des Camps, versteckt hinter hochgewachsenen, üppigen Büschen lag. Doch dafür hatten sie jetzt keine Augen. Sie starrten in die Richtung, aus der das Glockengeläut kam. Tatsächlich war es Enza, die mit aller Kraft an dem selbst gebauten Gestell rüttelte.
Atemlos hielten die drei bei ihr an.
„ Was ist passiert?“ keuchte Thomas atemlos. „Wo ist Drago?“
Enza schüttelte den Kopf und holte tief Luft .
„ Gräber“, stieß sie hervor.
„ Was?“ fragte Sebastian.
Enza wies in die Richtung, in der sie am Abend zuvor das Fries gefunden hatten.
„ Kommt mit, das müsst ihr euch selber ansehen!“ drängte sie.
Die drei folgten Enza, die mit langen Schritten in Richtung Fries marschierte, doch sie hielt nicht vor der schwarzen Plane inne, sondern ging noch einige Meter weiter geradeaus und wies dann auf mehrere aufgeworfene Erdhügel, die sich dort erhoben. Die Hügel waren etwa so lang und breit wie die Gräber auf einem Friedhof und in ihre aufgequollenen Bäuche hatte jemand angespitzte Holzpflöcke und Glasscherben gerammt, als wolle man verhindern, dass jemand diesen Gräbern zu nahe kam. Wegen des unablässigen Regens begannen sie sich langsam aufzulösen. Der Anblick ließ Viola, Thomas und Sebastian für eine Weile verstummen.
„ Es müssen ja nicht unbedingt Gräber sein. Ich meine, wessen Gräber sollen es denn sein?“ fragte Thomas.
Enza wies auf etwas, das aus einem der Gräber hervorragte.
„ Tja, ich bin zwar keine Archäologin, aber zwei Dinge sind doch wohl ziemlich deutlich: Erstens – das sind keine Gräber, die seit hunderten von Jahren existieren und zweitens“, sie bückte sich, um das, was im Schlamm stak, aufzuheben und mit den Händen zu säubern, „dieser Knochen hier sieht mir ebenfalls recht frisch aus.“
Sebastian und Thomas sprangen im Nu neben sie. Sebastian nahm ihr den Knochen aus der Hand und befingerte ihn von allen Seiten. Er war so lang wie der Oberschenkelknochens eines erwachsenen, sehr großen Mannes. Doch etwas war seltsam, denn der Knochen war nicht gerade, sondern wölbte sich zu den beiden Kondylen der Kniepartie hin nach außen. Außerdem waren das Schenkelbein und der Schenkelhals ungewöhnlich breit und flach. Der Knochen selbst wies wellenartige Deformationen auf.
„ Ist das der Knochen eines Menschen?“ fragte Viola leise. Sebastian zuckte die Achseln.
„ Ich bin kein Experte, aber der Größe nach zu urteilen, kommt es schon hin.“
„ Und was sind das für komische Erhebungen?“ fragte Enza.
„ Vielleicht hatte derjenige irgendeine Krankheit oder Behinderung“, mutmaßte Thomas. „Der Knochen könnte aber auch von einem großen Tier stammen. Die Frage ist nur – von welchem?“
„ Die Frage ist vor allem, warum es dann hier begraben wurde? Ich meine, ein Tier verschachert man irgendwo im Wald und nicht mitten im Camp, mitten in den Grabungsstätten“, widersprach Sebastian.
„ Das alles gefällt mir nicht“, flüsterte Viola. „Wir sollten vielleicht doch nach Plovdiv fahren und die Polizei informieren. Sollen die sich das Ganze mal ansehen und eine professionelle Suchaktion nach Lea starten.“
„ Das machen wir, Schatz. Aber erst später! Jetzt suchen wir Drago und fragen ihn, was hier wirklich los ist. Dann können wir immer noch die Bullen holen.“
Sebastian stapfte los, den Knochen immer noch in der Hand haltend. Enza marschierte ihm hinterher, während Viola Thomas flehend ansah. Wenigstens er musste doch ihrer Meinung sein.
„ Vielleicht finden wir Lea, wenn wir wissen, was hier passiert ist. Je länger sie weg ist, desto kleiner wird die Chance, dass sie überhaupt…“
Er konnte es nicht aussprechen. Die Möglichkeit, dass Lea tot sein könnte, schien ihm zu abwegig. Viola verstand. Auch sie konnte diesen Gedanken noch nicht zulassen. Sie nickte hastig und wandte sich dann zum Gehen.
„ Ja, ist gut, fragen wir Drago und dann sehen wir weiter.“
Thomas und Viola beeilten sich, die anderen beiden einzuholen, die Drago offenbar gefunden hatten. Er war ihnen auf halbem Weg entgegen gekommen. Als er den Knochen in Sebastians Hand sah, ballte er unwillkürlich seine Hände zu Fäusten.
„ Das haben wir eben gefunden. Sieht ziemlich frisch aus, wenn du mich fragst“, rief Sebastian ihm schon von Weitem entgegen.
Drago ließ ein tiefes
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