Uschi Zietsch
Mantelschleppe unordentlich zusammen und fuchtelte zur Bekräftigung seiner Worte mit seinem Zepter herum. »Ich kann Euch verhexen!«
»Mjin«, sagte Melwin sanft. »Ich wiederhole mich nicht gern.«
Der Kobold, der sicher wusste, dass er der Macht eines Heiligen Wanderers unterlegen war, drehte sich einmal um sich selbst, verknitterte sein Gesicht zu einem verhutzelten Blatt und begann laut zu plärren. »Aber ich will ihn haben!«, quäkte er. Die anderen Kobolde brachen in Tränen aus, als sie den Kummer ihres Königs sahen.
»Es nutzt nichts«, fuhr Melwin gleichbleibend ruhig fort.
Der Mjin wandelte bereits wieder seine Stimmung zu einem letzten Versuch. »Nutzt nichts! Nutzt nichts!«, kreischte er wütend. »Da könnte jeder daherkommen und mich herumkommandieren! Wer seid Ihr denn überhaupt, Ihr?«
Melwin begann zu lächeln. »Ich bin Melwin«, antwortete er.
Die Kobolde wurden so blass wie Gespenster, die sich selbst im Spiegel begegnen. »Me Melwin!«, ächzte der Koboldmjin, dann sprang er entsetzt in die Luft. »Hilfe, Hilfe, Melwin!«, schrie er und versuchte seinen Mantel zur Flucht zusammenzuraffen, aber er verfing sich im Lauf und fiel der Länge nach hin. Die anderen Kobolde stoben voller Schrecken in alle Richtungen davon. Melwin lachte leise, hob die Arme und sagte einen Spruch: Es erschienen vier winzige Leuchtgeister mit blitzgeladenen Besen in den Händen, die hinter den kreischenden Kobolden herjagten.
Kelric sprang auf und warf sich weinend in Melwins Arme. »Ich ha ha hab mich verlaufen!«, heulte er. »Und ich ha-ha-hatte solche Angst!«
Der junge Zauberer drückte ihn fest an sich, streichelte das dunkle Haar, küsste das zerkratzte und verschmierte Gesicht und betrachtete bewundernd die mächtige Beule auf der Stirn.
»Ich weiß«, sagte er leise und zärtlich. »Aber jetzt ist ja alles gut. Was glaubst du, was ich für Angst hatte, bis ich dich endlich fand! Du bist ein tapferer kleiner Kerl, Kelric. Dein Wompet schrie uns aus dem Schlaf und beschrieb durch viele Gesten, was geschehen war. Der ganze Wald ist in Aufruhr deinetwegen, darum konnte ich dich überhaupt finden. Das Tierchen ist in Sicherheit bei Fergon im Lager, und da gehen wir jetzt auch hin. Komm, ich trage dich.«
Kelric umklammerte Melwins Hals und schmiegte sich an seine Schulter. »Du bist aber stark, Melwin«, murmelte er schläfrig.
Der Mann lachte leise. »Du auch, kleiner Bruder«, flüsterte er. »Du auch.«
Vorsichtig stieg er den Baum hinab, das Kind fest in den Armen haltend, und lief rasch und leichtfüßig in die Dunkelheit davon.
5.
Hungerland
Fergon machte ein besorgtes Gesicht, als Melwin den schlafenden Jungen niederlegte; der Wompet, den der Zauberer inzwischen versorgt hatte, kuschelte sich dicht an das Kind und gab Schnurrlaute von sich.
»Er hat allerhand Kratzer und eine Beule an der Stirn«, berichtete Melwin leise. »Aber es ist nicht schlimm. Wir sollten ihn schlafen lassen und erst morgen behandeln.«
Fergon nickte. »Melwin«, murmelte er, »wir haben einen schlimmen Fehler gemacht. Eine solche Reise muss für ein Kind zuviel sein. Wo hatten wir nur unseren Verstand?«
Der junge Zauberer nickte. »Wir dachten nur an sein Talent, nicht aber an ihn als Menschenkind.«
»Aber diese einzigartige Gabe ...«, seufzte Fergon, »Wäre er älter, hätte eine Ausbildung vielleicht keinen Sinn mehr gehabt. Und nur deswegen bringen wir ihn immer mehr in Gefahr ... «
Melwin blickte rasch auf. Fergon sah mitgenommen aus; die Erkenntnis, aus Unüberlegtheit gegen die heiligsten Grundsätze verstoßen zu haben, griff seinen Verstand an. Es war schon vorgekommen, dass ein Magier wahnsinnig geworden war, weil er durch falsches Handeln Menschen in Gefahr gebracht hatte. Melwin begriff einmal mehr, warum sie keine Familie haben durften: Durch die Belastung der unvermeidlichen Interessen und Pflichtenkonflikte hätte es bald keine Bruderschaft mehr gegeben, Ein Zauberer durfte nicht erpressbar sein und nie an sich denken, nur an das Wohl der Menschen. Melwin seufzte tief. Der Preis dafür war sehr hoch, aber andererseits hatte noch nie einer seiner Brüder dieses Dasein bereut.
Nicht ohne eine gewisse Scheu legte er Fergon die Hand auf den Arm und versuchte ihn zu beruhigen. »Ihr solltet Euch keine unnötigen Gedanken machen. Kelric ist ein starkes Kerlchen. Wir müssen nur mehr Rücksicht auf ihn nehmen. Nach diesem Abenteuer wird er bestimmt Alpträume haben, und ich finde, wir sollten ihm
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