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Uschi Zietsch

Uschi Zietsch

Titel: Uschi Zietsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sternwolke und Eiszauber
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er hoch. »Du bist frei?«
    Der Wompet schien zu lächeln, als er leicht die Lefzen von den Zähnen zurückzog. Ja, Kelric. Du hast es geschafft. Du bist ein Held.
    Kelric strahlte vor Freude. »Bist du sehr schwer verletzt?«
    Nur ein wenig. Jetzt, da ich frei bin, werden die Wunden schnell heilen. Mein Name ist übrigens Wogryn.
    Der Junge kratzte sich verblüfft die Nase. »Ihr Wompets seid wohl Zauberwesen?«, fragte er.
    Ja, Kelric. Wir sind Tiere von ganz besonderer Art. Du bist der Erste, mit dem wir sprechen können. Auf ganz Lerranee beherrscht kein Mensch das Gedankenlesen, und mit anderen Völkern wollen wir nicht verkehren. Dank eines göttlichen Geschenks ist dir diese Gabe angeboren. Mein Onkel, den du heute Nachmittag trafst, erzählte uns von dir und deinem Wunsch, mit uns Freundschaft zu schließen. Ich schulde dir mein Leben und werde dich daher fortan begleiten.
    »Wirklich?«, schrie Kelric begeistert.
    Normalerweise hat ein Junge in seinem Alter eine kräftige, kaum zu übertönende Stimme; aber seine nächsten Worte gingen in einem ohrenbetäubenden Brüllen unter, und noch während er erschrocken hochfuhr, brach in den Büschen und Baumwipfeln um ihn herum die Hölle aus. Er schrie laut auf vor Angst, als mittelgroße, dichtbepelzte Geschöpfe mit furchterregenden dämonischen Tiermasken sich mit lautem Geschrei, wedelnden Armen und aneinanderschlagenden Jagdwaffen um ihn scharten.
    Wewewer ist das?
    Waldmenschen, Kelric. Sie legen die Fallen aus und sind jetzt entsprechend böse, weil du mich befreit hast. Sie sind nicht nur ungehobelte Wilde, sondern auch Kannibalen. Sie fressen praktisch alles, was sie erwischen. Wogryn stieß einen schrillen Pfiff aus. Flieh, Freund! Ich hole Hilfe!
    Während Kelric kreischend in die eine Richtung davonstürzte, lenkte der Wompet die Waldmenschen ab und rannte entgegengesetzt davon; ein Teil der Truppe folgte ihm, der andere heftete sich an Kelrics Fersen.
    Die Angst ( Kannibalen! Ich will nicht gefressen werden! ) verlieh Kelric Flügel, und er raste hakenschlagend und flinker als ein Reh vor den Verfolgern her, die ihn durch die Dunkelheit nur schwer ausmachen konnten und sich in ihrer Gier gegenseitig behinderten.
    Der Junge allerdings stürmte kopflos immer tiefer in den Irrwald hinein und sah weder nach links noch nach rechts. Erst als ihm die Erkenntnis ins Bewusstsein drang, dass nichts mehr hinter ihm prasselte, sondern Stille um ihn war, hielt er schwitzend und schluchzend inne und stellte entsetzt fest, dass er sich hoffnungslos verlaufen hatte.
    Es kann kein herzzerreißenderes Bild geben als einen verzweifelt weinenden kleinen Jungen, der ganz allein an der tiefsten Stelle eines großen, überall gleich aussehenden Waldes steht, an Leib und Seele zitternd, mit zerrissener Kleidung und vielen kleinen blutenden Wunden, das Gesichtchen von Schmutz und Tränen verschmiert, zu Tode erschöpft und niedergeschmettert durch die Erkenntnis, dass er nicht träumt.
    Schluchzend und wimmernd tapste das Kind durch die fremde, feindliche Umgebung, die es mit einem eiskalten Hauch umwob, mit tausend leuchtenden Raubtieraugen durch die Finsternis beobachtete, mit gierig geifernden Rachen auf es wartete, in angespannter lauernder Haltung, bis es zusammenbräche und seine Zeit gekommen wäre.
    In solch einer Verlorenheit mag auch in des Tapfersten Brust kein Heldenherz schlagen, und Kelric wurde immer winziger in der mächtigen schaurigen Unwirtlichkeit, in der er zwischen echten unheimlichen Geräuschen und schaudernder Einbildung nicht mehr unterscheiden konnte; sein Schritt wurde immer zaghafter, sein Stimmchen immer leiser.
    Jeden Augenblick erwartete er, von Gespenstern oder anderen schrecklichen Unholden oder auch nur von wilden Tieren angefallen und zerfleischt zu werden; er zuckte unter jedem Rascheln zusammen und erschrak vor seinen eigenen Füßen. Schließlich erreichte er eine Lichtung, und ein lauter Seufzer entrang sich ihm, als er das vertraute Sternenlicht über sich sah; ein kleiner Hoffnungsschimmer in seiner verzweifelten Lage. Er wollte schon wieder ein wenig Mut fassen, als er bei dem tiefen Grollen vor sich erstarrte. Drei mächtige Schatten lösten sich aus Baumverstecken und näherten sich ihm in gebückter lauernder Haltung; die verschiedenen monströsen zusammengesetzten Raubtiermasken verliehen ihnen ein ungeheuerliches fratzenhaftes Aussehen. Im matten Sternenlicht sah Kelric, dass die Waldmenschen zwar dicht behaarte Körper hatten,

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