Uschi Zietsch
so viele Tage geben, wie er braucht. Den Wompet nehmen wir für ihn mit. Und wenn wir Hungerland erreichen, wird er entsprechend vorbereitet. Er wird schon vernünftig sein und keine Dummheiten mehr machen.«
»Da sehe Gott Elwin vor«, flüsterte Fergon. »Ihr mögt zu unser beider Seelenheil recht haben, Melwin.«
Melwin blickte auf die schattenhaften Bäume. » Dort, wo niemand es vermutet «, rezitierte er, » wird er geboren. Und er wird die Länder durchwandern, die zerren an eines Menschen Verstand, und er wird sie sehen, die Menschenaugen nie erschauen. Und er wird einer der Großen von Laïre werden, und etwas wird geschehen, das nicht im Orakel steht ... « Seine Stimme erstarb in einem unhörbaren Flüstern; Fergon, der ihn lange still betrachtete, sah die Bewegung seiner Lippen. Zu Kelric schauend, fragte er in die beginnende Dämmerung hinein: »Weiß er es?«
Auch Melwin richtete seinen ruhigen Blick auf den Jungen.
»Ja«, antwortete er dann. »Er weiß es.«
Kelric war zum zweiten Mal seit Beginn der Reise krank. Die äußerlichen Verletzungen heilten schnell und gut, aber der Schock saß tief und löste einen erneuten Fieberanfall au! Die beiden Zauberer waren bleich vor Kummer und Selbstvorwürfen, während sie versuchten, ihm zu helfen. Der Wompet, dessen Verwundung durch unbekannte Magie längst verheilt war, beobachtete die verzweifelten Menschen aus seinen unergründlichen dunkelvioletten Augen und wendete sich dann Kelric zu, der erwacht war.
Was haben sie denn? , fragte Kelrics Geist verschlafen.
Sie zerfressen sich in ihrer Sorge um dich , antwortete Wogryn. Sie glauben, dass du durch ihre Schuld wahnsinnig würdest. Du bist schließlich noch ein Kind, und Lerranee ist eine Welt für Erwachsene.
Wogryns Worte stimmten Kelric nachdenklich, und er verschloss sich eine ganze Zeit, bevor er sich aufsetzte und nach Melwin rief. Der junge Zauberer kam sofort; Kelric gelang ein recht munteres Lächeln, nur die Zähne klapperten noch etwas, als er sagte: »Ich bin bald wieder ganz in Ordnung, Melwin, dann können wir weiter. Ich fühle mich schon sehr gut, wirklich.«
»Oje«, lächelte Melwin, »so siehst du aber noch gar nicht aus.« Übergangslos wurde seine Miene ernst, als er fortfuhr: »Kelric, wir haben beschlossen, dich zurückzubringen. Es hat keinen Sinn, dich so zu quälen.«
Kelric sah ihn verdutzt an, dann füllten sich seine Augen mit Tränen. »Ihr wollt mich nicht mehr haben!«, klagte er. »Ich bin zu schwach und auch ein Feigling! Ihr verachtet mich!«
»So ein Unsinn, Kleiner!«, widersprach Melwin sanft. »Wir machen uns Sorgen um dich. Hast du denn kein Heimweh mehr?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Vielleicht ein kleines bisschen. Ich möchte weiter, Melwin. Aber wenn Ihr glaubt, dass ich nicht genug Mut habe ... «
»Wer sagt das? Du bist ein sehr tapferer kleiner Held. Aber ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt.«
»Aber Wogryn ist doch bei mir und passt auf mich auf.«
»Wogryn? Ist das dein kleiner Wompet?«
Kelric nickte eifrig. Melwin lächelte und streckte die Hand nach dem Tierchen aus, um es zu streicheln. »Wogryn. Ein hübscher Name. Nun, Wogryn, guten Tag. Ich bin Melwin, und der Zauberer da hinten ist Fergon. Ich hoffe, du hast dich von deinem Missgeschick gut erholt.«
»Das hat er«, berichtete Kelric, »und er dankt Euch für Eure Freundlichkeit.«
Melwin sah ihn mit mildem Erstaunen an. Kelric grinste fröhlich. »Ich stehe in Gedankenkontakt mit ihm. Er versteht, was Ihr sagt, aber Ihr versteht seine Worte nicht. Ich schon, denn ich kann seine Gedanken lesen. Toll, nicht wahr?«
Melwin lachte laut. »Kleiner Flederaffe!«, sagte er belustigt. »Du bist mir einer! Na, schön, wenn du immer noch nicht genug von Abenteuern hast, reisen wir eben weiter.«
Kelrics Augen leuchteten auf. »Ich weiß doch, dass Ihr mich retten werdet«, erklärte er treuherzig. »Und jetzt wird mir auch das Herz nicht mehr dauernd in die Hose rutschen.«
Der Zauberer strich ihm über den Kopf und erhob sich. »Dann schlaf dich gesund, Söhnchen! Wir haben Zeit.«
Er begab sich zu Fergon zurück, der einen Braten zubereitete. »Er will unbedingt weiter, Fergon. Und er ist gesund.«
Fergon drehte brütend und grübelnd den Spieß. »Das heißt, auch Ihr wollt weiter.«
»Ja.«
»Und wie soll er Hungerland überstehen?«
»Er wird es schaffen. Wir haben kein Recht dazu, ihm die Ausbildung zu verweigern. Außerdem wird ihm Wogryn eine große Hilfe
Weitere Kostenlose Bücher