Uschi Zietsch
sie zu sehr tobte und in Gefahr geriet, sich selbst zu verletzen. Blut lief ihr aus Augen, Nase, Mund und Ohren, als die Wandlung einsetzte. Sie konnte kaum etwas zu sich nehmen, geschweige denn bei sich behalten. Alle paar Stunden mussten Wäsche und Bettzeug gewechselt werden, und Diener legten sie in heißes, kräuterduftendes Wasser, das ihr die schwere Last erleichtern und sie wärmen sollte.
Am vierten Tag sank das Fieber, und Gorwyna kam klaren Sinnes zu sich. Sie litt weiterhin unter starken Kopfschmerzen, aber die schlimmste Qual war vorüber. Sie durfte sich erheben und einen ersten kurzen Spaziergang an Fandors Arm unternehmen. Sie war sehr schwach und so abgemagert, dass die Rippen durch die Haut stachen, aber der Lordmeister war zuversichtlich, dass das Schlimmste überstanden war und die gesunden Speisen aus Laïres Küche das Mädchen bald wieder kräftigen würden.
Fandor berichtete ihr auf dem Spaziergang alle Neuigkeiten, gab Gorwyna Bücher, die sie studieren sollte und die ersten Konzentrationsübungen für ihre Gabe, damit sie bis spät in die Nacht hinein beschäftigt war und nicht über Kelric nachdenken konnte. »Ich werde Sie jeden Tag unterrichten, bis die Wandlung abgeschlossen ist und Sie das Gewölbe verlassen dürfen.«
»Darauf freue ich mich«, sagte sie. »Ich will so viel wie möglich lernen und Wissen erhalten, um unserem Volk zu dienen.«
»Sie ehren uns«, sagte der Lordmeister bewegt.
Und er war erleichtert, dass eine Last von seinen Schultern genommen war. Gorwyna hatte es überstanden, die DROGE würde nun ihre Wirkung voll entfalten, ohne sie zu zerstören.
Um Kelric musste er sich schon sehr viel mehr Sorgen machen. Fünf Zauberer, die besten Heiler der Welt, hatten in vielen schrecklichen Stunden seinen Brustkorb geöffnet und die Rippe mit Hilfe der Magie aus der Lunge gezogen. Dann begann der Kampf um sein Leben. Erst nach drei Tagen, mit größtem Einsatz magischer Beschwörungen, konnten die inneren Blutungen zum Stillstand gebracht und die Wunde geschlossen werden. Die zusammengebrochenen Zauberer mussten abgelöst und der Kampf fortgesetzt werden. Der Sommer verging, während Kelric sich auf seinem Lager umherwarf, von entsetzlichen Schmerzen und Fieber gequält, dem Tode näher als dem Leben, aber nicht bereit zu gehen. Manchmal schrie er stundenlang in lauter Qual, dann wieder lag er still, kaum noch atmend. In den langen Nächten wachte Fandor an seinem Lager und ließ seine Macht zu ihm hinüberströmen.
Schließlich kam der Zeitpunkt, da Kelric völlig ruhig wurde und zu sich kam: in der finstersten Nacht des Jahres, der Sonnenwende, in der nur noch Fandor es wagte, wach zu bleiben und den umherschweifenden Mächten die Stirn zu bieten. Vorsichtig tupfte er den Schweiß von Kelrics Stirn, der mit unnatürlich dunklen, vom Fieber geweiteten Augen zu ihm aufsah.
»Die Entscheidung ist da, nicht wahr?«, hauchte er.
Fandor nickte. »Heute Nacht, Kelric«, sagte er leise.
Die Hände des Zauberers glitten hilfesuchend über das Bett, bis der Lordmeister sie fest in seine Hände nahm.
»Ich habe gesündigt, Fandor ...«, flüsterte Kelric, im Fieber zitternd. »Der Ghûle war meine Strafe ... ich wollte nicht sterben ... damals konnte ich entkommen, aber heute ... «
»Still, still«, murmelte der Lordmeister. »Nicht sprechen, mein Freund! Konzentrier dich! Ich bin bei dir.«
»Ich muss sprechen ...«, keuchte Kelric. »Keine Zeit mehr ... weiß sie es?«
»Das kann ich nicht sagen, Kelric. Sie fragt jeden Tag nach dir, und ich gebe ihr Antwort, die sie zufrieden stellt. Sie lernt ungeheuer viel und merkt kaum, was um sie herum vorgeht.«
»Dann ... geht es ihr gut?«
»Ausgezeichnet. Sie wird mit jedem Tag schöner. Ihr Aussehen gleicht sich unserem genau an ... sie ist eine Erdkönigin, Kelric. Jetzt, nachdem sie keine Prinzessin mehr ist, ist sie königlicher denn je, und sie ist viel reifer geworden.«
»Das ist gut ...«, flüsterte Kelric kaum hörbar. »Das macht mich glücklich, Fandor ... ich ... ahh ... « Er krümmte sich in einem weiteren Anfall und bäumte sich auf.
Fandor sprang auf und schloss die Arme um ihn, um ihn ruhiger zu halten. »Was kann ich nur tun«, stieß er kummervoll hervor, »dieses Leid, Kelric, mit ansehen zu müssen, übersteigt bald meine Kräfte ... wenn ich nur wüsste, wie ich dir helfen kann ...«
Kelric klammerte sich an ihn und knirschte mit den Zähnen. »Nein ... nein ...«, stöhnte er. »Ich will nicht
Weitere Kostenlose Bücher