Uschi Zietsch
hohen Preis dafür bezahlen müssen wie du und deine Brüder. Das macht es mir leichter. Und ich weiß, dass es mich dir näher bringen wird, dass zwischen uns nur noch das Alter, aber keine Welten mehr liegen werden. Das ist mir alles wert, mein Magier.«
»Dann folge mir.«
Kelric führte Gorwyna über viele Stufen in das finstere Gewölbe hinab und brachte sie in eines jener Gemächer, die, wie er sagte, viele Erinnerungen für ihn bargen.
Das Mädchen setzte sich aufgeregt und nervös auf eine Stuhlkante, während der Zauberer einem Diener leise Anweisungen gab.
»Kelric«, begann sie dann ein wenig scheu, »warum bist du heute Nacht nicht gekommen?«
»Man hat eine Totenmesse für Melwin gehalten«, erklärte er. »Du hast vielleicht aus dem Fenster gesehen, dass Laïre heute die violette Farbe der Trauer trägt. Es wurde sehr spät und es gab viel mit Fandor zu bereden. Wir haben gemeinsam die Ausbildung gemacht, weißt du, und sind wirklich sehr alte Freunde. Wir haben beschlossen, dich auszubilden, während du hier bist. Das geht in der kurzen Zeit natürlich nur oberflächlich, aber du kannst trotzdem eine Menge lernen. Das wird dir auch helfen, die Zeit der Wandlung zu überstehen. Du musst viermal am Tag die DROGE zu dir nehmen. Die meiste Zeit wird Fandor bei dir sein.«
»Und du?«, fuhr sie erschrocken auf.
»Ich muss mich auf meinen Kampf vorbereiten, Libellchen«, antwortete er. »Eigentlich sollte Fandor es dir sagen, aber so ist es besser. Ich brauche Ruhe und Konzentration. Aranwir ist meine größte Herausforderung, und ich hatte immer Angst vor ihr. Aber jetzt kann ich nicht mehr ausweichen. Verstehst du das?«
Sie nickte stumm. Dann sagte sie leise: »Kelric, ich habe auch Angst. Davor, dass ich dir nicht mehr gefallen werde.«
Er zog die schwarzen Brauen zusammen. »So ein Unsinn«, sagte er fast böse. »Ich liebe nicht deine Äußerlichkeit.«
»Verzeih ... ich glaube, ich bin jetzt doch ein wenig nervös ...«
Er ergriff ihre Schultern und zog sie zu sich hoch.
»Mein Liebstes«, flüsterte er aus tiefem Herzen. »Es wird alles gut. Vermutlich wirst du anfangs Kopfschmerzen und Übelkeit verspüren, aber das geht vorbei. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin sicher, dass die DROGE dir nicht schaden wird. Und ich werde dich immer lieben, was auch geschehen mag.« Er küsste sie, dann hielt er sie lange Zeit fest und liebkosend in den Armen, und sie schmiegte sich mit geschlossenen Augen an ihn und streichelte ihn gedankenverloren.
Schließlich jedoch löste er sie von sich und sah ihr in die Augen. »Ich muss jetzt gehen, Gorwyna«, sagte er. »Du wirst bald die DROGE zum ersten Mal bekommen. Die Diener mögen es nicht, wenn man dabei ist. Heute Nachmittag wird Fandor kommen und nach dir sehen, und du wirst deine erste Lektion lernen. Du brauchst diese Zeit für dich, ebenso wie ich für mich.«
Sie hielt seine Hände fest und erwiderte seinen Blick, und als sie die tiefe, irgendwie erschreckende traurige Zärtlichkeit in seinen Augen sah, stieg eine ganz andere Angst in ihr auf.
»Kelric!«, rief sie. »Du ... sagst mir doch die Wahrheit, oder? Wir sehen uns wieder, nicht wahr? Du verlässt mich nicht?«
»Niemals«, beantwortete er ihre letzte Frage. »In einer, vielleicht zwei Sternenwanderungen sind wir wieder zusammen. Vertrau darauf!«
Aber sie meinte in seiner Stimme ein Zögern, eine Unsicherheit zu hören, als glaubte er seine eigenen Worte nicht. Er streichelte ihr Gesicht, beugte sich und küsste sie ein letztes Mal, bevor er aus der Gewölbekammer ging und die Tür hinter sich schloss. Einen Augenblick lang stand Gorwyna wie erstarrt; würgende Angst krampfte ihr die Kehle zusammen, bis sie zur Tür stürzte und sie zu öffnen versuchte, um ihm nachzueilen. Doch sie war versperrt. Verzweifelt rüttelte sie an dem Griff und schlug zuletzt mit geballten Fäusten gegen das harte Holz.
»Kelric!«, schrie sie. »Du hast gelogen! Komm zurück! Kelric !« Gleichzeitig schickte sie ihre Gedanken mit aller Macht aus, um ihn zu suchen, aber sie fand nichts außer Leere.
Der Lordmeister selbst war die meiste Zeit bei Gorwyna, während sie die DROGE nahm. Die ersten drei Tage konnte sie das Bett nicht verlassen, ihr Körper wurde von Fieberkrämpfen geschüttelt, und sie schrie vor Schmerz, dem Wahnsinn nahe. Was in ihr erwachte, war ihr fremd, erschreckte sie und bereitete ihr Qual. Fandor konnte nichts tun, außer den Schweiß abzuwischen und sie festzuhalten, wenn
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