Utopia 2050
Ihnen! Ich bin Malone. Sie sind Ho. Kommen Sie herein, bevor ich's mir anders überlege und Sie in den Arsch trete!« Er bemerkte Ets Grinsen. »Was finden Sie so lustig?«
»Ich finde«, sagte Et, »daß Sie so wenig wie ein R-Meister wirken wie ich mich als solcher fühle.«
Malone musterte ihn. Seine herabhängenden Mundwinkel in dem alten Gesicht wurden plötzlich gerade, und als er sprach, klang sogar seine Stimme jünger. »Halten Sie lieber den Mund«, empfahl er ruhig, »bis Sie wissen, wovon Sie reden.«
Er ging voran durch eine Anzahl finsterer Zimmer und Korridore in einen Raum, der wenig Fensterfläche besaß, aber eine prachtvolle Einrichtung und einen Kamin, in dem ein Feuer loderte. Das Mobiliar war altertümlich wuchtig und schwer, aus massivem, dunklem Holz gefertigt. Malone warf sich in einen hohen Sessel am Kamin und starrte in die flackernden Flammen. »Bemühen Sie sich um einen guten Anfang«, sagte er. »Machen Sie niemandem einen Vorwurf. Man hat Sie nicht zu der R 47-Injektion gezwungen. Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie tun können – das ist mein Rat. Wahrscheinlich werden Sie ihn nicht befolgen.«
»Warum nicht?« fragte Et. »Er klingt vernünftig.«
Malone kehrte den Blick vom Feuer und richtete ihn auf Et. »Bisher haben Sie jedesmal, wenn Sie eine Wahl besaßen, einen Fehler begangen«, sagte er leise. »Zum Beispiel, welchen Status haben Sie gewählt, als Sie vor der Entscheidung standen? Nein, schweigen Sie. Sie haben den Status eines Aktivbürgers gewählt, nicht wahr?«
»Hätte ich das nicht tun sollen?«
»Natürlich nicht!« schnauzte Malone. »Ist Ihnen nicht aufgefallen, daß man Ihnen diese Entscheidung eingeflüstert hat?«
»Es gibt Dinge, die zu tun ich beabsichtige«, sagte Et. »Ich brauche diese erweiterte Freiheit.«
Malone schnaufte verächtlich. »Nur der Status eines WK-Schützlings gewährt einen Anflug von Freiheit. Was glauben Sie, was ich bin?«
»Offenbar genau das«, sagte Et.
»Richtig. Wissen Sie, seit wann ich R-Meister bin?«
Et schüttelte seinen Kopf.
»Seit vierzig Jahren.«
Et musterte ihn aufmerksam. Malone wirkte ungefähr wie ein Sechzigjähriger, aber das bedeutete nichts; es gab Neunzig- und Hundertjährige, die als sein jüngerer Bruder durchgegangen wären; doch falls Malone die Wahrheit sprach, mußte er zum ersten halben Dutzend R-Meister zählen, die das R 47 geschaffen hatte. »Ich ...«, begann Et, aber Malone unterbrach ihn sofort.
»Erzählen Sie mir nichts«, sagte er. »Lassen Sie mich reden. Ich informiere mich über das Verhalten eines jeden neuen R-Meisters, doch eigentlich ist das inzwischen überflüssig. Ich weiß sowieso, was sie zuerst tun. Was haben Sie getan? Zuerst haben Sie abzutasten versucht, was das WK für Sie tun würde. Dann haben Sie herauszufinden versucht, wieviel es für Sie auszugeben bereit ist. Dann, nachdem das zu nichts führte, ist Ihnen eingefallen, worauf Sie sich sogleich hätten besinnen sollen – nämlich, jemanden zu fragen, der es weiß.«
»Hören Sie«, sagte Et, dessen Schädel pochte, »ich möchte lediglich ein paar Fragen beantwortet haben.« Er war todmüde. »Wenn ich ein R-Meister bin, warum fühle ich mich nicht so?«
»Was?« meinte Malone. »Sie wollen doch nicht behaupten, daß Sie sich nicht anders als zuvor fühlen?«
»Natürlich ...« Et unterbrach sich. »Ich fühle mich nicht allzuwohl, aber ...« Er verstummte erneut. »Wollen Sie etwa andeuten, daß jedem R-Meister so übel zumute ist?«
Malone kicherte. »Mir nicht«, antwortete er. »Aber ich bin ein Sonderfall. Die anderen – ja, denen geht es wie Ihnen, meistens. Bloß dann nicht, wenn sie sich so intensiv mit einem Problem befassen, daß ihre gewöhnlichen Empfindungen verdrängt sind, oder wenn sie Medikamente genommen haben, die ihre Beschwerden aufheben.« Er lachte. »Jemals von medikamentösen Nebenwirkungen gehört? Die Geschichte der Medizin ist voll davon. In einigen wenigen Fällen verwandelt R 47 Männer oder Frauen in R-Meister, nun gut. Aber die Auswirkung auf das Wohlbefinden der betroffenen Person ist mindestens so stark wie auf die Intelligenz.« Et nickte. »Sie fühlen sich nicht wohl. Warten Sie ab, bis die Wirkung der Medikamente nachläßt, die Ihr Leibarzt Ihnen verabreicht hat!«
»Welche?« fragte Et. »Wann?«
»Woher soll ich das wissen?« schnauzte Malone. »Ich war nicht dabei, als Ihre Positivreaktion eingetreten ist. Wann haben Sie Ihren Leibarzt zuletzt
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