Utopia 2050
gesehen?«
»Noch gar nicht«, erwiderte Et. »Unabhängig davon – er wird mir keine Medikamente aufdrängen können. Ich nehme keine.«
»Wollen Sie sagen, Sie haben bisher bloß die R 47-Injektion erhalten?« Malone beugte sich in seinem Sessel vor und blickte Et scharf in die Augen. »Sprechen Sie die Wahrheit? Wie fühlen Sie sich denn?«
»Nicht besonders wohl«, antwortete Et grimmig. »Aber ich lebe und bin handlungsfähig, und so beabsichtigte ich zu bleiben.«
»Hmmm«, machte Malone nachdenklich. »Und Sie nehmen keine Medikamente – gar keine?«
»Keine. Niemals.«
»Kein Aspirin?«
»Nein.«
»Tabak? Alkohol? Haschisch?«
»Keinen Tabak, kein Haschisch. Alkohol, ja. Den habe ich immer gut vertragen.« Et schnitt eine Grimasse. »Jetzt nicht mehr. Insofern haben Sie recht.«
»Kaffee?«
»Bekommt mir nach wie vor gut, aber manchmal schmeckt er mir nicht.«
»Tee? Mate? Hustensaft?«
»Tee trinke ich kaum. Mate habe ich nie getrunken. Husten habe ich nie.«
Langsam schüttelte Malone den Kopf. »Sie sind anders, wenn ich mich nicht irre, und ich irre mich selten. Würde es Ihnen schwerfallen, auch auf Alkohol und Kaffee zu verzichten?«
»Ich neige bereits dazu, den Alkohol wegzulassen«, sagte Et. »Der Kaffee würde mir fehlen. Aber ich kann jederzeit alles aufgeben außer Wasser, Nahrung und Luft – und unter entsprechenden Umständen würde ich vielleicht auch darauf zu verzichten versuchen.«
»Erzählen Sie mir aus Ihrem Leben«, forderte Malone ihn auf.
Et tat es; er begann mit seiner polynesischen Kindheit, fuhr mit den Jahren seiner Ausbildung fort und dann mit jenen, während der er mit der Sarah über die Meere gesegelt war, und zuletzt kam er auf Wallys Tod zu sprechen sowie auf seine Entscheidung für das R 47.
Als er fertig war, lehnte Malone sich im Sessel zurück. Die flackernden Flammen warfen Schatten in die Falten seines Gesichts und ließen sie noch tiefer und ihn noch älter erscheinen. »So«, sagte er, »und nun werde ich Ihnen etwas erzählen. Die Welt ist drauf und dran, sich in eine Hölle zu verwandeln – ja, Sie haben richtig gehört, in eine Hölle. Trotz des Friedens und Wohlstands und der Grundversorgung und alledem. Können Sie sich das vorstellen?«
»Das kann ich«, sagte Et. »Oder sollte ich's nicht?«
»Entschließen Sie sich. Ich erzähle nur eine Geschichte. Hier ist diese Welt, auf dem Weg zur Hölle, und ein Mann wie Sie wird durch einen seltenen Zufall direkt ins Innere jenes Mechanismus geschleudert, der das Unheil anrichtet.«
Et fühlte die Munterkeit, die von einer gleichartigen Adrenalinausschüttung zeugte, wie er sie in der Sunset Hut erlebt hatte. »Welcher Mechanismus?« fragte er. »Welches Unheil?«
»Sie sind ein R-Meister. Denken Sie nach.«
»Aber bin ich einer?« fragte Et. »Wenn ich soviel zusätzliche Intelligenz besitze, warum spüre ich nichts davon?«
»Warum sollten Sie etwas spüren?« meinte Malone. »Haben Sie Ihre Intelligenz irgendwann schon einmal gespürt? Selbstverständlich nicht.« Malone schnaubte. »Warten Sie ein halbes Jahr lang, bis das WK mit einem Problem an Sie herantritt, dann werden Sie feststellen, daß gar kein Problem vorliegt. Jeder Idiot, werden Sie denken, könnte aushelfen. Sie sagen, was zu tun ist, und man bedankt sich. Dann werden Sie – vielleicht – begreifen, welcher Unterschied zwischen Ihnen und anderen Menschen besteht, was das heißt, R-Meister. Und dennoch werden Sie sich nach wie vor nicht anders fühlen als seit jenem Moment, in dem Sie erstmals die Augen geöffnet haben.« Er schwieg. »Andererseits, wenn Sie die rein körperlichen Empfindungen meinen«, ergänzte er dann, »darin werden Sie genug Veränderungen bemerken.«
»Aber eine neue Eigenschaft auf der Ebene der Intelligenz müßte ich doch feststellen können«, sagte Et hartnäckig.
»Wer behauptet, daß Sie über eine neue Eigenschaft verfügen?« knurrte Malone. »Niemand versteht die Wirkung des R 47 richtig. Man betrachtet es als Reizmittel, das dafür sorgt, daß die Rädchen in Ihrem Denkapparat zweimal so schnell wie vorher laufen. R-Meister leben nicht lange. Im Durchschnitt überleben Sie die Injektion lediglich um zehn Jahre.«
»Und Sie?« fragte Et.
»Ich habe schon erwähnt, daß ich ein Sonderfall bin.«
»Warum?«
»Niemand weiß es«, schnarrte Malone. »Wenn jemand es wissen müßte, dann ich, doch ich weiß nur, daß ich anders bin, aber nicht den Grund. Seit vierzig Jahren bin ich
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